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Fermentation von Lebensmitteln: Uralte Methode und zukunftsweisender Food-Trend

Ohne Fermentation wäre unsere Ernährung … anders. Man stelle sich einen sommerlichen Biergartenbesuch in Bayern vor: Der deftige Brotzeitteller – müsste ohne Sauerteigbrot, Salami, Käse und saure Gurken auskommen. Ein frisch gezapftes Bier dazu? Fehlanzeige. Zu Hause noch ein Glas Wein und ein Stück Schokolade vor dem Fernseher … Halten wir fest: Ohne Fermentation wäre unsere Geschmackswelt ärmer, unsere Esskultur eine andere.

Und nicht nur im deutschsprachigen Raum, denn was wäre Korea ohne Kimchi, Japan ohne Miso und chinesisches Essen ohne Sojasoße? Fermentierte Lebensmittel tragen weltweit schätzungsweise zu einem Drittel der Nahrungsaufnahme bei. Aktuell gibt es über 5.000 verschiedene Sorten von fermentierten Speisen und Getränken, Tendenz steigend (Tamang et al. 2016). Denn dank ihrer gesundheitsfördernden Aspekte sowie neuer Entwicklungen in der Lebensmitteltechnologie gewinnt Fermentation noch an Bedeutung und wird im Rahmen der Präzisionsbiologie als ein Baustein der vierten industriellen Revolution gehandelt.

Kurz gesagt

  • Traditionell in vielen Kulturen verwendet, erlebt Fermentation eine moderne Wiederentdeckung.
  • Fermentation ist ein biochemischer Prozess: Mikroorganismen wandeln einzelne Substanzen in Lebensmitteln um und verändern dadurch Geschmack, Textur und Nährstoffgehalt.
  • Fermentierte Lebensmittel können gesundheitliche Vorteile bieten, indem sie die Nährstoffverfügbarkeit verbessern.
  • Fermentierte Milchprodukte können bei Kindern das Risiko von Allergien verringern.
  • Fermentierte Lebensmittel bieten bedeutendes Potenzial für die öffentliche Gesundheit und die Transformation von Ernährungssystemen.

Inhalt


Fermentierte Lebensmittel: Food-Trend seit 7.000 v. Chr

Fermentation spielte in der menschlichen Ernährung seit jeher eine wichtige Rolle, möglicherweise sogar für die menschliche Evolution. In einer evolutionsbiologischen Studie stellen Wissenschaftlerinnen die These auf, dass der Verzehr fermentierter Speisen verantwortlich gewesen sein könnte für die Vergrößerung des menschlichen Gehirns und Verkleinerung des Darms. (Bryant 2023).

Der Beginn des Food-Trends Fermentation liegt also in den Nebeln der Geschichte. Es ist sehr wahrscheinlich, dass zu verschiedenen Zeitpunkten der Geschichte ein Krug mit Fruchtsaft oder Milch in einer Ecke vergessen wurde und die Menschen festgestellt haben: Das Ergebnis ist nicht schlecht! Vor etwa 9.000 Jahren hatte das erste Mal nachweisbar ein kluger Mensch in China den Gedanken, Fermentation gezielt einzusetzen (Derndorfer 2020). Weil dadurch verderbliche Rohstoffe in hochwertige Produkte verwandelt und die Nahrungsmittelversorgung über den gesamten Jahresverlauf gesichert werden konnte, taucht die Praxis in nahezu allen Kulturen weltweit auf (Bryant 2023). Fermentierte Getränke wie Bier, Wein, Sauermilch und Getreidebrei dienten in Zeiten ohne sauberes Trinkwasser zudem als sichere Flüssigkeitsquelle (Kaur et al. 2019).

Allerdings ist Fermentation früher wie heute nicht nur eine Methode der Lebensmittelkonservierung. Sie wird darüber hinaus eingesetzt, um den Geschmack der Ausgangsprodukte zu verbessern, den Nährwert und die Bekömmlichkeit zu erhöhen sowie bestimmte körperliche (z. B. berauschende) Wirkungen herbeizuführen ( Bryant 2023). Aufgrund der hohen aromatischen Bandbreite hat seit einiger Zeit die Spitzengastronomie das Fermentieren für sich entdeckt, was sich zum weltweiten Food-Trend entwickelt hat.

Dabei kann man die Wiederentdeckung der traditionellen Technik in den Küchen dieser Welt als eine Art Gegenbewegung zur industriellen Lebensmittelproduktion verstehen – gleichzeitig gelten Fermentationsprozesse im industriellen Maßstab als eine der wichtigsten Zukunftstechnologien für unser Ernährungssystem (Stichwort: Präzisionsfermentation), weil sie es beispielsweise möglich machen, die Produktion tierischer Produkte von der Tierhaltung mit all ihren ökologischen Konsequenzen zu entkoppeln.


Was ist Fermentation?

Der Begriff Fermentation hat seine Wurzeln im Lateinischen, abgeleitet von „fervere“ (kochen), während „fermentum“ auf Gärung oder Sauerteig hinweist (Derndorfer 2020). Die Begriffe „Fermentation“ und „Gärung“ werden oft synonym verwendet, sind aber nicht identisch. „Gärung“ ist eine Variante der Fermentation bei der Mikroorganismen aus Zucker und unter Sauerstoffausschluss (anaerob) Alkohol, Kohlendioxid und/oder organische Säuren erzeugen (Chilton et al. 2015). Der Begriff „Fermentation“ wird breiter verwendet. Laut der International Scientific Association for Probiotics and Prebiotics (ISAPP) sind fermentierte Produkte:

„Lebensmittel, die durch gezieltes mikrobielles Wachstum und enzymatische Umwandlung von Lebensmittelbestandteilen hergestellt werden“ . Dabei können die Lebensmittel bei Verzehr noch lebende Mikroorganismen enthalten, müssen aber nicht.

Marco et al. 2021

Es handelt sich also um biologische Stoffwechselprozesse, bei denen organische Ausgangsprodukte – nicht notwendigerweise unter Sauerstoffausschluss – mithilfe von Bakterien, Pilzen, Enzymen oder Zellkulturen umgewandelt werden, meist in Säure oder Alkohol (Ah/Arias-Roth 2023). Wir beziehen uns in diesem Beitrag in erster Linie auf die mikrobielle Fermentation.

Hauptakteure: Die Mikroorganismen

Neben den Ausgangsrohstoffen entscheiden Mikroorganismen, Zeit, Temperatur, Umgebungsbedingungen und die Zugabe von Gewürzen über das jeweilige Endprodukt (Derndorfer 2020). Während des natürlichen Fermentationsprozesses von Lebensmitteln wie Kefir oder Käse bildet sich eine vielfältige Gemeinschaft von Mikroorganismen, auch bekannt als Mikrobiota. Diese Mikrobiota beeinflusst vor allem Aromen, Haltbarkeit und Textur der Produkte (Marco et al. 2021). Hierbei ist anzumerken, dass die genaue Zusammensetzung dieser Mikrobiota stark variieren kann und auf der Stammesebene nicht immer eindeutig charakterisierbar ist. Anders als Probiotika verleiht die Mikrobiota fermentierten Lebensmitteln nicht unbedingt spezifische gesundheitliche Vorteile (Marco et al. 2017/2021; Dimidi et al. 2019).


Welche Fermentationsarten gibt es?

In der Welt der Fermentation lassen sich grundlegend drei Verfahren unterscheiden:

  1. Die traditionelle Fermentation wird genutzt, um Lebensmittel wie Joghurt, Kefir, Sauerkraut und Bier herzustellen. Der Prozess kann sowohl durch spontane Fermentation (sogenannte Wilde Fermentation) als auch durch gezielten Einsatz von Starterkulturen eingeleitet werden (Marco et al. 2021). Bei letzterem werden ausgewählte Bakterien- und Hefekulturen zugesetzt, um die Fermentation zu lenken und spezifische sensorische Eigenschaften wie Geschmack und Textur im Endprodukt zu beeinflussen (Marco et al. 2021; Johansen 2018).
  2. Einen Schritt weiter geht die Biomasse-Fermentation, bei der essbare Mikroorganismen wie Hefen, Bakterien, filamentöse Pilze (d. h. Schimmelpilze) oder Algen eingesetzt werden, um Nahrungsmittel und funktionelle Inhaltsstoffe wie Proteine, Vitamine, Omega-3-Fettsäuren oder Mineralstoffe herzustellen (Augustin et al. 2023; GFI 2023; Teng et al. 2021). Dieses Verfahren ermöglicht eine präzise Produktion bestimmter Substanzen im Großmaßstab mit vielversprechendem Potenzial für industrielle Anwendungen.
  3. Daneben existiert die Präzisionsfermentation, eine moderne Technik, bei der Mikroorganismen gezielt genetisch verändert werden, um komplexe organische Moleküle zu synthetisieren (Augustin et al. 2023; GFI 2023; Hassoun 2022). Auf diese Weise kann beispielsweise Hefe genetisch so verändert werden, dass sie echte Ei- oder Milchproteine erzeugt. Diese Herangehensweise gewinnt zunehmend an Bedeutung in der Lebensmittelindustrie, um neuartige Nahrungsmittel mit verbesserten Eigenschaften zu entwickeln, beziehungsweise Alternativen zu herkömmlich kultivierten tierischen Produkten.
Die Grafik bebildert den Prozess der Präzisionsfermentation

Bei der Präzisionsfermentation werden mithilfe von gentechnisch veränderten Mikroorganismen ursprünglich tierische und pflanzliche Moleküle nachgebildet und als Rohstoffe in industriell hergestellten Lebensmitteln verarbeitet. Die Bandbreite der Produkte umfasst Aromen, Gelatine, Eiproteine, Vitamine, Lipide, Enzyme, Milchproteine und Häm-Proteine.

Klassifikationen von Fermentation

Die Grafik zeigt Beispiele für fermentierte Lebensmittel aus den Bereichen Milch, Getreide/Hülsenfrüchte, Fisch, Fleisch, Gemüse und Getränke .

Fermentierte Lebensmittel werden häufig gemäß ihrer Hauptbestandteile wie Getreide, Gemüse, Milch, Fisch, Fleisch sowie alkoholische und nichtalkoholische Getränke klassifiziert (Baruah et al. 2022).

Zudem existieren verschiedene Formen der Fermentation, darunter alkoholische Fermentation, Milchsäurefermentation, Essigsäurefermentation, Propionsäurefermentation und gemischte Fermentation, die jeweils auf unterschiedliche Mikroorganismen zurückgreifen (Derndorfer 2020; Baruah et al. 2022).

Zu den gängigsten Mikroorganismen, die in der Lebensmittel- und Getränkefermentation Verwendung finden, zählen Milchsäurebakterien, Essigsäurebakterien, Bazillen, Hefen und filamentöse Pilze (Marco et al. 2021; Baruah et al. 2022). Im Zuge dieser Prozesse entstehen bei der Fermentation von Lebensmitteln verschiedene Stoffwechselprodukte wie Milchsäure, Alkohol, Essigsäure, Propionsäure, antimikrobielle Wirkstoffe (Bacteriocine), bioaktive Peptide und Exopolysaccharide.

Fermentierte Lebensmittel werden häufig auch danach unterschieden, ob lebende Mikroorganismen im Endprodukt vorhanden sind oder nicht. Dies führt zur Einteilung in zwei Hauptgruppen (Marco et al. 2021):

  • Die erste Gruppe umfasst Lebensmittel, bei denen lebende Mikroorganismen im Endprodukt vorhanden sind. Hierzu zählen beispielsweise Joghurt, Sauerrahm, Kefir, verschiedene Käsesorten, Miso, Natto, Tempeh, nicht erhitztes fermentiertes Gemüse sowie fermentierte Salami, Peperoni oder Kombucha.
  • In der zweiten Gruppe werden die ursprünglich lebendigen Mikroorganismen nach der Fermentation inaktiviert. Hierzu zählen unter anderem Brot, pasteurisierte fermentierte Gemüse- und Wurstwaren, Sojasauce, Essig, Wein, Bier, Spirituosen, Kaffee und geröstete Schokoladenbohnen.

Fermentation: Mehr Geschmack, Nährwert und Sicherheit für Lebensmittel

Die Fermentation hat viele Vorzüge. Ein bezeichnendes Beispiel dafür ist die Umwandlung von Milch in Käse, bei der durch Fermentation eine breite Palette an Geschmacksrichtungen entsteht, die die ursprüngliche Milch bei Weitem übertrifft. Generell erhöht Fermentation die Vielfalt von Aromen in Lebensmitteln (Hutkins 2006) und bewirkt sensorische Veränderungen im Geruch, Aussehen, Geschmack und der Textur im Vergleich zu den Ausgangsrohstoffen. Dafür ist unter anderem eine Absenkung des pH-Werts aufgrund von Säurebildung verantwortlich (Derndorfer 2020). Fermentierte Lebensmittel spielen aktuell aufgrund ihrer aromatischen Potenziale in der Spitzengastronomie eine wichtige Rolle.

Jenseits der sensorischen Verbesserung von Nahrungsmitteln kann Fermentation dazu beitragen, die Verträglichkeit von Lebensmitteln zu erhöhen. Im Grunde findet eine Art Vorverdauung der Rohstoffe statt. Schädliche oder unerwünschte Bestandteile aus den Ausgangsrohstoffen werden abgebaut und damit die Qualität und Sicherheit dieser Lebensmittel verbessert (Sharma et al. 2020). Beispielsweise bewirkt Fermentation, dass Sojabohnen bei Verzehr weniger Blähungen verursachen oder pflanzliche Lebensmittel weniger Phytinsäure enthalten, was die Bioverfügbarkeit essenzieller Mineralstoffe verbessert (Marco et al. 2021). Letzteres geschieht unter anderem bei der Sauerteiggärung von Brot. Im Vergleich zu unbehandelten Varianten weisen fermentierte Produkte oft auch eine erhöhte antioxidative Kapazität auf, was unter anderem aus der Freisetzung von bioaktiven Peptiden während des Fermentationsprozesses resultiert (Verni/Rizzello 2023).


Sind fermentierte Lebensmittel besonders gesund?

Erkenntnisse aus 20 randomisierten kontrollierten Studien (RCT) zeigen, dass der Konsum von Joghurt und anderen Sauermilchprodukten mit einer Reduktion von Adipositasfaktoren wie Body-Mass-Index (BMI) und Taillenumfang einhergeht. (Unter Spezialwissen Ernährung wird das Vorgehen bei wissenschaftlichen Studien erklärt.) Dies steht auch im Zusammenhang damit, das Risiko für Diabetes mellitus Typ 2 und kardiovaskuläre Erkrankungen zu senken (Marco et al. 2021; Savaiano/Hutkins 2021; De Carvalho et al. 2018). Ähnliche positive Effekte werden für Milchkefir, Kimchi, Sauerkraut, Natto, Essig und Sauerteigbrot diskutiert.

Besonders bei Kindern zeigt sich ein vielversprechendes Bild: Der Verzehr von fermentiertem Gemüse in der Kindheit wird mit einem geringeren Risiko für Kinder-Atopie in Verbindung gebracht (Alm et al. 1999). Zudem deutet eine epidemiologische Studie darauf hin, dass der regelmäßige Konsum fermentierter Lebensmittel in Kombination mit alltäglichem Kontakt zu nicht-schädlichen Mikroorganismen das Risiko kindlicher Allergien senken könnte.(Marco et al. 2021; Alm et al. 2002). Es gibt allerdings bisher kaum Belege, dass fermentierte Lebensmittel eine besondere gesundheitliche Wirkung auf den Magen-Darm-Trakt hätten oder gar zur Therapie eingesetzt werden könnten. Die Zusammensetzung der Mikrobiota in fermentierten Lebensmitteln ist sehr unterschiedlich und auch das menschliche Mikrobiom ist individuell verschieden, sodass entsprechende Studien sehr heterogene Ergebnisse liefern (Dimidi 2019). Grundsätzlich kann man sagen, dass fermentierte Speisen zu einer ausgewogenen ballaststoffreichen Ernährung beitragen können (Vgl. dazu das Interview mit Professor Haller in der Rubrik „Debatte“).

Fermentierte Milchprodukte: Mehr als nur Konservierung

Die Effekte der Fermentation auf Bestandteile von Lebensmitteln zeigen sich besonders deutlich bei der Fermentation von Milch: Während des Prozesses erfahren Milchprodukte eine bemerkenswerte Umgestaltung ihrer Inhaltsstoffe (Sharma et al. 2020). Die Milchproteine werden in Peptide, Aminosäuren und Peptone zerlegt, wodurch die Verfügbarkeit essenzieller Aminosäuren wie Methionin, Valin und Tyrosin erhöht wird (Savijoki et al. 2006). Ein weiterer Effekt der Fermentation ist der Abbau von Laktose (Milchzucker) in Glukose und Galaktose (Rosolen et al. 2015). Diese Hydrolyse beeinflusst nicht nur die Produktion von Milchsäure, sondern reguliert auch den pH-Wert, was wiederum das Wachstum unerwünschter Mikroorganismen hemmt und die Kalziumaufnahme im menschlichen Darm fördert. Die Lipolyse, der Abbau von Fetten in Glycerin und freie Fettsäuren, trägt zur verbesserten Verdaulichkeit der Lebensmittelprodukte bei (Ye et al. 2017).

Interessanterweise steigt während der Fermentation auch der Gehalt an B-Vitaminen wie Riboflavin, Thiamin und Nicotinamid an (Yoshii et al. 2019). Und die Veränderungen beschränken sich nicht nur auf Vitamine: es sind auch mehr Mineralstoffe wie Calcium, Kalium, Magnesium, Phosphor und Zink enthalten, deren Bioverfügbarkeit zudem noch steigt (Garcia-Burgos et al. 2020). Ein weiterer bedeutsamer Aspekt ist das Auftreten antibakteriell aktiver Verbindungen wie Wasserstoffperoxid, Bakteriocinen und Milchsäure; sie können das Wachstum von pathogenen Bakterien einschränken (Vieco-Saiz et al. 2019) und erhöhen damit die Haltbarkeit und verringern das Risiko von Lebensmittelvergiftungen.


Fazit

Zahlreiche positive Effekte auf den menschlichen Körper verleihen fermentierten Lebensmitteln einen wichtigen Stellenwert in einer ausgewogenen Ernährung und einem nachhaltigen Lebensstil: Insbesondere die Optimierung der Nährstoffaufnahme und der Abbau allergener Verbindungen und Bereitstellung bioaktiver Substanzen (Teng et al. 2021) machen sie zu wertvollen Lebensmitteln. Die Welt der Fermentation birgt großes Potenzial für die öffentliche Gesundheit sowie für eine Umgestaltung unserer Lebensmittelsysteme in Richtung Ressourcenschonung. Angesichts einer wachsenden Erdbevölkerung, Über- und Mangelernährung und zahlreichen Wohlstandskrankheiten in industrialisierten Ländern, eröffnen fermentierte Lebensmittel vielversprechende Möglichkeiten, globalen Problemen im Bereich Gesundheit und Ernährung zu begegnen (Sybesma et al. 2017; Augustin et al. 2023).

Besonders die Präzisionsbiologie, als vierte industrielle Revolution der Lebensmittelindustrie bezeichnet (Hassoun et al. 2022), eröffnet neue Horizonte für maßgeschneiderte und nachhaltige Lebensmittelzutaten, die sowohl den Ernährungsbedarf als auch die Geschmackspräferenzen der Verbraucher erfüllen. Diese Technologie ermöglicht die gezielte Herstellung von Proteinen, Aromen und anderen Verbindungen, die das Innovationspotenzial in der Lebensmittelindustrie erheblich erweitern. Durch präzise gesteuerte Fermentationsprozesse können ungenutzte oder überschüssige Lebensmittel in wertvolle Produkte wie Enzyme, Aromen oder Nährstoffe umgewandelt werden. Dies trägt nicht nur zur Abfallreduzierung bei, sondern fördert auch die nachhaltige Nutzung von Ressourcen in der Lebensmittelproduktion (Augustin et al. 2023).

Zusammenfassend wird deutlich, dass fermentierte Lebensmittel nicht nur unsere kulinarische Vielfalt bereichern, sondern auch das Potenzial besitzen, globale Herausforderungen in den Bereichen Ernährung, Gesundheit und Umwelt zu bewältigen. Dies wird durch aktuelle multinationale Forschungsinitiativen wie die COST Action PIMENTO (Promoting Innovation of ferMENTed fOods; https://fermentedfoods.eu/) oder das EU-Projekt HealthFerm (plant-based fermented foods for healthier and more sustainable diets; https://www.healthferm.eu/) weiter unterstrichen (Eugster et al. 2023). Diese Initiativen verfolgen das gemeinsame Ziel, ein vertieftes Verständnis für die Potenziale fermentierter Lebensmittel und der Fermentation im Kontext von Gesundheit und Nachhaltigkeit zu gewinnen.

Eine Gegenüberstellung von traditioneller Fermentation und Präzisionsfermentation zeigt, dass beide Techniken viele Möglichkeiten in Hinblick auf die Produktion alternativer Proteine und neuartiger Lebensmittel bieten.

Gegenüberstellung von traditioneller Fermentation und Präzisionsfermentation: beide Techniken bieten vielversprechende Möglichkeiten in Bezug auf alternative Lebensmittel und neuartige Lebensmittel
Quelle: https://www.cluster-bayern-ernaehrung.de/infografik-die-vielfalt-der-fermentation/

Nachweise

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Titelbild: Justlight/stock.adobe.com


Stand: Mai 2024

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