Ein Mann schüttet Milch aus einem Kübel in einen Trichter, neben Kühen, die gemolken werden
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Ist Milch gesund? Das sagen Studien im Jahr 2023

Wer von Milch spricht, meint praktisch immer die Milch von der Kuh – ein uraltes Lebensmittel, das seit mehr als 8.500 Jahren auf dem Speiseplan des Menschen steht (Doyle 2017). Milch wird in vielen Regionen getrunken, die Zahl an Käse- und Joghurtsorten ist riesig und es gibt sie in fast allen Ländern der Welt. Doch vor einigen Jahren kam Skepsis auf, kritische Stimmen meldeten sich zu Wort: Ist Milch für Erwachsene ein passendes Nahrungsmittel? Verursacht Milch Krebs, Osteoporose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen? Kurz: Ist Milch gesund?

Im Folgenden präsentieren wir den aktuellen Forschungsstand, vorab eine methodische Bemerkung dazu: Die meisten neueren Studien erfassen Trinkmilch und Milchprodukte wie Käse oder Quark gemeinsam. Welches konkrete Produkt wie wirkt, lässt sich daraus nicht erschließen. Nur sehr wenige Arbeiten haben spezielle Produktgruppen untersucht, etwa Butter oder Joghurt.

Kurz gesagt

  • Kaum ein Lebensmittel ist so gut untersucht wie die Milch.
  • Die Daten zeigen: Milch schadet der Gesundheit nicht.
  • Bei allen Krebsarten bis auf eine gibt es keinen Zusammenhang mit Milch.

Inhalt


Macht Milch krank?

Milch steht in der Kritik und wird für schwere chronische Krankheiten verantwortlich gemacht, darunter Krebs, Knochenstörungen wie Osteoporose oder eine komplexe Stoffwechselstörung, das Metabolische Syndrom. Dass nicht alle Menschen Milch gut vertragen, kommt dazu und nährt Befürchtungen, Milch sei ungesund. Doch auf der ganzen Welt gibt es Regionen, in denen Milch selbst im Erwachsenenalter gut verdaut wird, dazu gehören Europa sowie kalte Gebiete, etwa die Mongolei oder Nepal. Im Süden sowie in Südostasien hingegen vertragen kleine Kinder Kuhmilch, Erwachsene verlieren jedoch die Fähigkeit, Milch richtig zu verdauen. Hintergrund ist ein Enzym im Dünndarm, Laktase genannt. Es zersetzt den Milchzucker, die Laktose. Fehlt das Enzym, besteht die sogenannte Laktoseunverträglichkeit.

In Europa und speziell in Deutschland sind nur etwa 10 Prozent der Bevölkerung von Laktoseintoleranz betroffen – mehr als 85 Prozent verdauen die Milch problemlos: Ihr Darm produziert auch im Erwachsenenalter noch das Enzym Laktase. Eine Krankheit ist die Laktoseintoleranz ohnehin nicht, ihre Symptome wie Blähungen oder Durchfall sind nur unangenehm. Daher lässt sich mit dem natürlich angeborenen Enzymmangel nicht begründen, dass Milch generell krank macht.

Metabolisches Syndrom

Das Metabolische Syndrom gilt als Wohlstandskrankheit, zu den Auslösern gehört vor allem starkes Übergewicht mit viel Bauchfett. Das Syndrom umfasst eine ganze Gruppe von Stoffwechselproblemen, außerdem Risikofaktoren für Herz und Kreislauf: Klassisch besteht ein hoher Blutdruck, ein gestörter Fettstoffwechsel mit hohen Blutfettwerten sowie ein erhöhter Blutzuckerspiegel mit Insulinresistenz.

In der Medizin bezeichnet man diese Gruppe als „tödliches Quartett“ – in Deutschland leidet ungefähr jeder fünfte Erwachsene daran, Männer etwas häufiger als Frauen, wobei die Prävalenz mit dem Alter steigt (Neuhauser/Ellert 2005, Moebus et al. 2008). Betroffen sind zu 90 Prozent Menschen mit Übergewicht, folglich ist Übergewicht der höchste Risikofaktor für das metabolische Syndrom.

Der Verdacht, dass Milch den Stoffwechsel entgleisen lässt, lässt sich wissenschaftlich aber nicht belegen. Das Gegenteil ist der Fall: Milch und Milchprodukte senken das Risiko für ein metabolisches Syndrom, zeigten große Übersichtsstudien. Die Rolle der Milch für die einzelnen Störungen innerhalb des Metabolischen Syndroms ist dabei auch erfasst: Menschen, die regelmäßig Vollmilch trinken, haben weniger häufig hohen Blutdruck, Diabetes oder Fettstoffwechselstörungen (Bhavadharini et al. 2020, Lee et al. 2018).

Herzinfarkt, Schlaganfall und Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Milch enthält Fett und Milchfett besteht zu rund zwei Dritteln aus gesättigten Fettsäuren. Diese wurden lange als Risikofaktoren für Herz und Blutgefäße angesehen, vor allem für Arterienverkalkung und die koronare Herzkrankheit (KHK). Dabei verengen sich die großen Blutgefäße rund um das Herz, ein Herzinfarkt kann die Folge sein. Doch was Milchfette angeht, haben Experten ihre Meinung inzwischen geändert: die Wissenschaft geht heute davon aus, dass es keinen Zusammenhang zwischen den Fetten in der Milch und Herzinfarkt sowie KHK gibt (Kiesswetter et al. 2023).

Das gilt auch für die gesättigten Fettsäuren in der Milch: Das Milchfett in Milch oder Milchprodukten ist in einer speziellen „Matrix“ eingeschlossen. Diese ist in den jeweiligen Produkten anders beschaffen (Unger et al. 2022). Einerseits bestehen Milchfetttröpfchen in Milch oder Käse aus Phospholipiden, die etwa das schädliche LDL-Cholesterin im Blut senken. Auch Mineralstoffe wie Kalzium scheinen die Wirkung von gesättigten Fetten zu neutralisieren (Pfeuffer/Watzl 2018). Zudem entstehen bei der Fermentation von Milch zu Joghurt oder Käse kleinere Eiweißbausteine (Peptide) sowie kurzkettige Fettsäuren. Es gibt Hinweise, dass diese Substanzen den Blutdruck senken und die Insulinsensitivität verbessern und damit auch das Risiko für Herzkrankheiten mindern (Unger et al. 2022). In Milchfett finden sich zudem spezielle Fettsäuren, die möglicherweise gegen Entzündungen vorgehen (Pipoyan et al. 2021, Lordan/Zabetakis 2017). Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch starkem Übergewicht oder Diabetes Typ 2, liegen entzündliche Prozesse zugrunde.

Neutrale bis günstige Wirkung auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Eher scheint es so, dass Milch und Milchprodukte eine neutrale, wenn nicht gar günstige Wirkung auf die KHK haben. Produkte wie Joghurt und Kefir, die von Bakterien verändert sind, wirken eindeutig positiv (Dehghan et al. 2018). Das Max Rubner-Institut (MRI) in Karlsruhe fasst als Bundesforschungsinstitut zusammen, dass der Verzehr von Milch und Milchprodukten kein erhöhtes Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall bedeutet und betont, dass sogar das Gegenteil der Fall ist: Wer Milch trinkt, hat ein signifikant niedrigeres Risiko für Schlaganfälle und ein erniedrigtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (MRI 2014).

Auch eine Netzwerkmetaanalyse, bei der 19 randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) einbezogen wurden, kam zu der Schlussfolgerung, dass Milch, Käse und Joghurt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht beeinflussen. Laut der Studie spielt es dabei keine Rolle, ob fettarme oder Vollfettprodukte konsumiert werden und ob es mehr als die empfohlenen drei Portionen am Tag sind (Kiesswetter et al. 2023). Im Detail zeigte sich, dass Vollfett- und fettarme Milchprodukte den systolischen Blutdruck leicht in der Größenordnung von 6 mmHg verbesserten. Dafür verschlechterten sich glykämische Marker, die ein mögliches Diabetes-Risiko anzeigen, wenn viele Milchprodukte verzehrt werden. Insgesamt gab es allenfalls sehr geringe Effekte auf die untersuchten gesundheitlichen Marker. Das Forschungs-Team zog daher das Fazit, dass Milch und Milchprodukte Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht negativ beeinflussen.

Infografik mit Ergebnissen einer neuen Netzwerkmetaanalyse am Universitätsklinikum Freiburg.
Eine Infografik zur Metastudie gibt es im Medienservice. Eine Übersicht über verschiedene Studientypen findet sich im „Spezialwissen Ernährung“.

Bluthochdruck

Laut einer großen Studie haben Vollfettmilch und vollfette Milchprodukte gute Effekte auf das Metabolische Syndrom und den Bluthochdruck (Dehghan et al. 2018). Anders sieht das interessanterweise bei Milch mit weniger Fett aus, etwa Magermilch oder Halbfettmilch mit 1,5 Prozent Fett: Untersuchungen dazu zeigten widersprüchliche Ergebnisse. Fettarm ist also für die Gesundheit nicht besser (Bhavadharini et al. 2020, Thorning et al. 2016).

Diabetes Typ 2

Die Studien zu Milch und Typ-2-Diabetes zeigen übereinstimmend, dass ein höherer Verzehr von Milch und Milchprodukten positiv wirkt: Das Risiko, Diabetes Typ 2 zu entwickeln, sinkt signifikant (Alvarez-Bueno et al. 2019, Aune et al. 2013, Benatar et al. 2013, Ellwood et al. 2008).

Die Auswirkungen des Milchkonsums auf Knochengesundheit und Krebs werden weiter unten beschrieben.


Macht Milch dick?

Die Annahme, dass Milch dick macht, ist weit verbreitet. Doch statistische Analysen und systematische Übersichtsstudien brachten dazu nur uneinheitliche Ergebnisse. Natürlich gilt: Milch besitzt eine hohe Nährstoffdichte, und wer viel Milch trinkt, nimmt auch Fett, Eiweiß und Kalorien zu sich, daher kann das Körpergewicht steigen. Ergebnisse einer Metaanalyse, bei der 37 randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) mit insgesamt 184.802 erwachsenen Teilnehmenden analysiert wurden, deuten darauf hin, dass ein hoher Milchkonsum ohne gleichzeitige Reduktion der täglichen Kalorienzufuhr eine Gewichtszunahme begünstigt (Geng et al. 2018).

In einer anderen Studie senkte der Konsum von Milchprodukten während einer Diät signifikant das Gewicht, die Körperfettmasse, die fettfreie Körpermasse und den Taillenumfang (Abargouei et al. 2012). Die Überraschung dabei: Wieder hatte fettarme Milch keinen nachweisbaren Vorteil. Es bringt also selbst bei einer Diät nichts, Magermilch zu trinken – Vollmilch dient dem Abnehmen genauso. In drei großen Beobachtungsstudien mit Erwachsenen führten fettarme Milch und fettreduzierte Produkte als Ersatz für Vollmilch nicht dazu, dass sich auch das Gewicht veränderte. Kinder und Jugendliche hingegen, die Vollmilch und Milchfett verzehrten, nahmen weniger stark zu (Chen et al. 2012, Berkey et al. 2005). Joghurt ließ laut einer Studie ebenfalls das Gewicht der Probanden sinken (Mozzaffarian et al. 2011). Insgesamt haben vollfette Milch und Milchprodukte wie Käse und Joghurt keinen schädlichen Effekt auf das Körpergewicht.

Eine aktuelle Übersicht zum Thema Übergewicht gibt es im Forschungsstand Adipositas.


Milch und Krebs

Menschen, die den Konsum von Milch kritisch sehen, fürchten vor allem, dass Milch Krebs fördert. Hintergrund sollen Hormone und vor allem Wachstumsfaktoren wie IGF-1 sein, die bei Mensch und Rind identisch sind. Schon seit Jahren wurden verschiedene Krebsarten darauf untersucht, ob sie im Zusammenhang mit Milch und Milchprodukten stehen. Dazu gibt es zahlreiche Einzelbefunde: So ist heute anerkannt, dass der regelmäßige Verzehr von Milch und Milchprodukten das Dickdarmkrebs-Risiko verringert und das Brustkrebs-Risiko nicht erhöht (WCRF 2018a).

Eine große Beobachtungsstudie widmete sich dem Risiko für Brustkrebs speziell durch Vitamin D und Kalzium, die auch mit der Milch aufgenommen werden. Ergebnis: kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Vitamin-D- und Kalziumzufuhr und Brustkrebs (Abbas et al. 2013). Neuere Studien besagen, dass der Konsum von Milch und Milchprodukten vielmehr das Brustkrebsrisiko zu senken vermag (Arafat et al. 2023).

Auch für Eierstockkrebs (Genkinger et al. 2006) wurde kein Zusammenhang mit Milch und Milchprodukten belegt, dasselbe gilt für Vitamin D und Kalzium in Kombination, wie es in Milch der Fall ist.

Klare positive Korrelationen bei Dickdarmkrebs

Der Bericht des World Cancer Research Fund (WCRF) stuft unter 19 erfassten Krebsarten Dickdarmkrebs als einzige Krebsart ein, bei der klare Korrelationen bestehen – aber für günstige Wirkungen: Je mehr Milch und Milchprodukte konsumiert werden, umso geringer war das Auftreten von Dickdarmkrebs. Für alle anderen 18 Krebsformen sieht das Wissenschaftsgremium keine ausreichenden Belege für einen Zusammenhang mit Milch (WCRF 2018a, WCRF 2018b).

Für den möglichen Schutz gegen Darmkrebs werden verschiedene Inhaltsstoffe von Milch und Milchprodukten verantwortlich gemacht. Einerseits ist eine kalziumreiche Ernährung hilfreich (Barrubés et al. 2019). Das Kalzium aus der Milch wird besonders gut aufgenommen, da Laktose und das Milcheiweiß Casein die Bioverfügbarkeit von Kalzium erhöhen. Milcheigene Substanzen, wie Lactoferrin oder sogenannte „konjugierte Fettsäuren“ (CLA), hemmen im Tierversuch übermäßiges Zellwachstum. Kefir, Joghurt oder Käse liefern Milchsäurebakterien und kurzkettige Fettsäuren. Diese gelten ebenso als mögliche Schutzfaktoren gegen die Tumorentstehung (Barrubés et al. 2019, Arafat et al. 2023).

Uneinheitliche Ergebnisse bei Prostatakrebs

Bei Prostatakrebs ergaben andere Studien gemischte Ergebnisse. Die große europäische EPIC-Studie fand einen Zusammenhang zwischen bestimmten Milchprodukten und Prostatakrebs. Für Milch und Käse getrennt aber gab es kein gehäuftes Auftreten von Prostatakrebs. Insgesamt sind die Ergebnisse zu Prostatakrebs eher uneinheitlich, die Zusammenhänge sind oft schwach und hängen zudem von der Menge ab. Wer weniger als einen Liter Vollmilch am Tag trinkt, hat kein erhöhtes Risiko für Prostatakrebs. Auch der Verzehr von Hartkäse zeigte keine Verbindung dazu (Allen et al. 2008).

Häufig führen Menschen, die Milch kritisch sehen an, dass ein Zellbaustein in der Milch, die sogenannte Mikro-Ribonukleinsäure (miRNA), Krebs auslösen könnte. Diese Ribonukleinsäure kommt in tierischen und pflanzlichen Zellen vor, sie ist unentbehrlich dafür, dass die Zelle Protein aufbaut. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) betrachtet das Krebsrisiko durch miRNA aus Milch aber für sehr unwahrscheinlich, wenn man sich an die üblichen Mengen hält. In Deutschland liegt der Milchverzehr bei rund 250 Gramm am Tag, das gilt als unbedenklich (BfR 2019).


Ist Milch gut für die Knochen?

Ob die Knochen lange stark bleiben, entscheidet sich früh: Die Menge der Mineralien, die in der Kindheit im Knochen eingelagert werden, bestimmt die Knochenstärke für das ganze Leben (Lamas et al. 2019, Huncharek et al. 2008). Wie dicht ein Knochen ist, hängt aber von der Ernährung ab: Nur wenn in der Jugend genügend Eiweiß und Kalzium aufgenommen werden, kann die Knochenmasse wachsen. Wichtig ist auch genügend Vitamin D, dazu kommt der Faktor Bewegung: Wenn Gewicht und Druck auf die Knochen wirken, werden sie dichter. Besonders gut dafür sind in der Kindheit Hüpf-, Spring- und Rennspiele sowie Turnen, Fußball oder Handball.

Fehlt einer dieser Faktoren aus Ernährung und Bewegung, ist die Knochenmasse geringer – und mit dem Alter sinkt sie ohnehin bei jedem Menschen: Ab etwa dem 50. Lebensjahr verliert man pro Jahr rund ein Prozent Knochenmasse. Empfehlungen zu Milch und Käse als Alltagslebensmittel fußen darauf, dass sie viel Kalzium und Eiweiß enthalten – günstig für das Knochenwachstum. Diese Produkte sind in Ländern mit traditioneller Milchwirtschaft preiswert und leicht verfügbar. Milch und Käse können daher in solchen Regionen sowohl bei Kindern als auch bei älteren Menschen für die richtige Menge an Kalzium, Eiweiß und Vitamin D sorgen.

Milch ist kein geeigneter Marker für Knochebrüche

Trotzdem fürchten Kritiker, dass es einen Zusammenhang zwischen der Kalziumzufuhr durch Milch und dem Risiko für Knochenbrüche im Alter gibt – wissenschaftlich konnten Studien derlei bislang aber nicht nachweisen. Dass Milch kein geeigneter Marker für Knochenbrüche ist, zeigte sich bereits in einer Metaanalyse aus dem Jahr 2005: Sie ergab keinen Zusammenhang zwischen dem Milchkonsum und dem Risiko für Knochenbrüche (Kanis et al. 2005). Heute gilt als gesichert, dass Kalzium und Vitamin D Knochenbrüche vermeiden helfen, wenn sie zusammen eingenommen werden. Das ist bei Milch der Fall. Für Kalzium oder Vitamin D getrennt war der Effekt geringer (Avenell et al. 2014, Bischoff-Ferrari et al. 2009, Tang et al. 2007).

Daher helfen Milch und Milchprodukte als Kalzium-Lieferanten zusammen mit Eiweiß, Vitamin D und weiteren Faktoren dabei, starke Knochen aufzubauen. Das kann dem Knochenschwund (Osteoporose) und anderen Knochenkrankheiten vorbeugen. Nicht belegt ist dagegen die häufige Behauptung, in Milchtrinker-Nationen wie Schweden oder Holland gäbe es mehr Osteoporose: Einen Zusammenhang mit der Milch gibt es hier nicht. Andererseits ist nicht belegt, dass Milchverzehr allein Knochenbrüche im Alter verhindern kann (Willet und Ludwig 2020).


Ist A2-Milch gesünder?

Die Vermarktung von A2-Milch hat ihren Ursprung in Neuseeland. Auch ohne fundierte Beweislage wird von der dort ansässigen Firma „The A2 Milk Company“ bereits seit einigen Jahren reine A2-Milch erfolgreich vertrieben. Diese soll besser verträglich sein und sich daher auch für Menschen mit Laktoseintoleranz oder vermuteter Milchunverträglichkeit eignen. Auf Social-Media-Kanälen wird die oft als „Urmilch“ oder „Wohlfühlmilch“ bezeichnete Milch begeistert kommentiert und gelikt. „Normaler“ Kuhmilch, A1-Milch, werden hingegen verschiedene negative Gesundheitseffekte zugeschrieben. Fakt ist: Klare wissenschaftliche Belege dafür, dass A2-Milch besser verträglich ist, gibt es bis dato nicht.

Den Unterschied macht der Eiweißbaustein beta-Casein

A2-Milch enthält eine andere Variante des Eiweißbausteins „beta-Casein“ als handelsübliche Kuhmilch. Je nach Rasse können in Kuhmilch unterschiedliche Gehalte an A1-beta-Casein oder A2-beta-Casein enthalten sein. In hierzulande erhältlicher Milch liegt meist ein Gemisch von A1- und A2-beta-Casein vor (KErn 2019). Beide Varianten des beta-Caseins werden im menschlichen Verdauungstrakt unterschiedlich zerlegt. Nur aus der A1-Variante wird im Darm eine relevante Menge des Eiweißbruchstücks beta-Casomorphin-7 (BCM-7) freigesetzt (siehe Abbildung). Dieser Eiweißbruchstein zeigt im Körper eine Opioid-ähnliche Wirkung und wird mit negativen Effekten wie einer Risikoerhöhung für verschiedene chronische Erkrankungen in Verbindung gebracht (Brantl et al. 1981).

Zudem gelangt A2-Milch schneller durch den Verdauungstrakt. Dadurch haben Bakterien, die bei einer Laktoseintoleranz den Milchzucker im Darm umsetzen, weniger Zeit für die Vergärung, die letztlich zu Beschwerden führt. Abschließend geklärt sind diese Hypothesen jedoch nicht.

Die Grafik zeigt den Aminosäuren-Aufbau von A1- und A2-beta-Casein sowie die Stelle, an der eine relevante Menge des Eiweißbruchstücks beta-Casomorphin-7 freigesetzt wird.
Aufbau von A1- und A2-beta-Casein (Quelle: KErn 2019)

Obwohl sich die beiden Varianten nur in einer Aminosäure unterscheiden, hat dies Einfluss auf die Spaltung während der Verdauung. Nur aus A1-beta-Casein wird das Eiweißbruchstück beta-Casomorphin-7 freigesetzt (Jiménez-Montenegro et al. 2022).

Bislang gibt es keine Belege dafür, dass A2-Milch gesünder ist

Eine aktuelle Analyse von wissenschaftlichen Studien zur A1- und A2-Milch zeigt, dass die Anzahl an Veröffentlichungen zu diesem Thema in den letzten Jahren stark zugenommen hat (Jiménez-Montenegro et al. 2022). Ein Großteil der Studien zu A2-beta-Casein hat jedoch die „A2 Milk Company“ mitfinanziert. Hochwertige Humanstudien gibt es bislang nur wenige.

Das Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn) hat im Jahr 2019 gemeinsam mit Cochrane Deutschland die damalige Studienlage zusammengefasst (KErn 2019). Insgesamt wurden für die Übersichtsarbeit 21 Studien betrachtet, die Auswirkungen von A1-beta-Casein oder BCM-7 auf Diabetes Typ 1, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, neurologische Erkrankungen, Magen-Darm-Beschwerden und bestimmte Krebsarten untersuchten.

Fazit: Auf Basis der Datenlage kann weder für noch gegen den Konsum von A2-Milch oder für den Verzicht auf normale Kuhmilch plädiert werden.


Fazit: Milch ist ein sicheres Lebensmittel

Es gibt nur wenige Lebensmittel, die so häufig und ausführlich geprüft wurden wie die Kuhmilch. Die Daten zeigen aber bis heute nicht, dass Milch und Milchprodukte grundsätzlich ungesund sind oder Menschen schaden. Eher ist das Gegenteil der Fall. Dazu kommt: In Deutschland empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) den Verzehr von 250 Gramm Milch am Tag. Für diese Menge sind keine schädlichen, wohl aber günstige Effekte wissenschaftlich bewiesen.

Die meisten Menschen unterschreiten die Dosis ohnehin, weil sie wenig Milch trinken oder keinen Käse mögen (BLE 2023). Auch deshalb ist nicht zu befürchten, dass Milch und Käse oder andere Milchprodukte Schaden anrichten – und von Gefahr kann nicht die Rede sein (MRI 2008). Außerdem belegen große Studien weltweit sogar gesundheitsfördernde Effekte.

Text: KErn
Wissenschaftliche Recherche: Karin Bergmann

Nachweise

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Titelbild: Yanawut Suntornkij/stock.adobe.com


Stand: Februar 2024

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