Ein Mann schüttet Milch aus einem Kübel in einen Trichter, neben Kühen, die gemolken werden

Die Debatte um die Milch: Gesundheit und Nachhaltigkeit

In der Debatte zeigen wir die Positionen wichtiger Akteure der Ernährungsszene: Stimmen aus Wirtschaft, Politik, Verbraucherschutz, Forschung oder Non-Profit-Organisationen. Die Statements beziehen sich auf das jeweilige Thema in der Rubrik Forschungsstand. Redaktionen dürfen die Texte verwenden, wenn sie den Ernährungsradar als Quelle nennen.


Inhalt


Milch ist ohne Zweifel ein gutes und gesundes Lebensmittel – doch es gibt auch Kritik: Milchvieh schädigt angeblich die Umwelt, die Haltung der Kühe ist nicht artgerecht, das Klima leidet, weil Kühe Methan ausatmen. Hier einige Positionen zur Debatte rund um CO2-Ausstoss, Klimabilanz und dem Ernährungswert der Milch.

Was sagen Milchindustrie-Verbände und Milcherzeuger?

Klima- und umweltfreundliche Ernährung sowie verbindliche Tierhaltungskennzeichnung ist vielen Menschen wichtig. Das geht aus dem Ernährungsreport 2022 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL 2022) hervor. Der Anteil derer, die vegetarische bzw. vegane Alternativen aufgrund des Schutzes von Tieren kaufen, ist im Vergleich zum Vorjahr um 12 Prozent – auf 71 Prozent – gestiegen.

Eine ähnliche Tendenz bestätigt auch Peter Stahl, Vorsitzender des Milchindustrie-Verbandes (MIV): „Ein Mehr an Tierwohl ist wichtig und gewinnt auch beim Verbraucher zunehmend an Bedeutung.“ Aus diesem Grund hat der deutsche Lebensmitteleinzelhandel mit seinem System www.haltungsform.de auch den Milchmarkt in sein vierstufiges Kennzeichnungssystem für Handelsmarkenprodukte einbezogen. So haben Verbraucher die Möglichkeit, sich über Haltungsbedingungen von Rindern zu informieren und sich bewusst für oder gegen einen Kauf zu entscheiden. Klar ist aber auch: Ein hohes Maß an Tierwohl kann es nicht zum Nulltarif geben. „Wir erwarten daher auch, dass sich Handel und somit die Verbraucher entsprechend an den höheren Produktionskosten für Milcherzeuger und Molkerei beteiligen werden“, sagt Stahl.

In Sachen CO2-Fussabdruck schlägt der Milchpräsident und Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes, Karsten Schmal, vor, einen „Grünland-Klima-Bonus“ einzuführen. „Milchkühe sind mehr als ihr CO2-Fußabdruck und spielen eine wichtige Rolle im CO2-Kreislauf. Kühe fressen Gras, Silage und pflanzliche Koppelprodukte aus der Lebensmittelerzeugung, die nicht durch den Menschen verwertet werden können. Das von den Kühen abgegebene biogene Methan wird im Gegensatz zum fossilen Methan innerhalb eines Jahrzehnts wieder abgebaut. Durch die Verwertung von Gras erhalten Kühe das Grünland als bedeutende CO2-Senke. Grünlandbewirtschaftung ist ein Alleinstellungsmerkmal und verdient somit eine Honorierung im Sinne des Klima- und Umweltschutzes.“

Was sagen Vertreter alternativer Ernährungsformen?

ProVeg, Deutschlands Plattform für Menschen, die sich vegan ernähren, setzt Milch weiterhin mit bestimmten Krebsarten in Verbindung. Verantwortlich gemacht wird dabei das Wachstumshormon IGF-1, das zur Tumorbildung bei Menschen beitragen kann. Ebenso wie Laktose, die das Risiko erhöht, an Eierstockkrebs zu erkranken (ProVeg e.V. 2019).

Diese Behauptungen entsprechen nicht der Forschungslage, doch der Verband beruft sich auf Einzelstudien und Befunde. Diese betreffen angeblich schädliche gesättigte Fettsäuren, Cholesterin und Trans-Fettsäuren in der Milch. Die Mehrheit der Ernährungswissenschaftler in Deutschland sowie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) teilen diese Meinung nicht (siehe Forschungsstand, „Milch und Krebs“).

ProVeg rät seinen Mitgliedern trotzdem, den Konsum von Milch zu überdenken. Sie sollen auf angereicherte Sojadrinks oder fermentierte Sojaprodukte zurückgreifen, um den Bedarf an Calcium und Eiweiß zu decken. Die „Gießener Vegane Lebensmittelpyramide” (Weder et al. 2020) dient für die vegane Lebensweise als Basis, sie enthält weder Milch noch Milchprodukte. Tatsächlich können sich Menschen rein physiologisch ganz ohne Milch ernähren, auch wenn das für viele nicht in Frage kommt. Veganer, die ohne Tierprodukte und daher auch ohne Milch leben wollen, müssen pflanzliche Proteinquellen allerdings richtig kombinieren. Dazu brauchen sie sehr gute Kenntnisse über Lebensmittel und ihre Inhaltsstoffe. Andernfalls können vegan ernährte Säuglinge, Kinder oder chronisch kranke und alte Menschen Mangelerscheinungen erleiden (Richter et al. 2020, Rudloff et al. 2019).

Was sagt die Wissenschaft?

… zu Milch und Klima?

Die EAT-Lancet-Kommission, ein Gremium von Forschenden, erarbeitet seit 2019 Zielstellungen, wie das weltweite Ernährungssystem für künftig zehn Milliarden Menschen gesichert werden kann, ohne gleichzeitig die planetaren Grenzen des Ökosystems zu überschreiten. Proteine und Calcium aus Milch und Milchprodukten sind ein Teil der sogenannten „Planetary Health Diet“ und mit durchschnittlich 250 Gramm pro Tag empfohlen (Willet et al. 2019). Die Expertinnen und Experten des EAT-Lancet-Reports begründen diese Empfehlung mit dem hohen Calcium-Gehalt der Milch (300 mg pro empfohlener Tagesmenge) und den positiven Effekten, die Milch auf die Gesundheit hat. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt seit 2024 zwei Portionen bzw. 500 Gramm Milch und Milchprodukte pro Tag (DGE 2024). (Mehr zu den neuen DGE-Ernährungsempfehlungen lesen.)

… zu alternativen Ernährungsformen?

Kein Fleisch und auch keine Kuhmilch für Babys – so lautete die Empfehlung vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) im Februar 2019, als in diesem Zusammenhang neuartige Infektionserreger mit der Bezeichnung „Bovine Meat and Milk Factors“ (BMMF) entdeckt wurden. Sie sollen in den Fleisch- und Milchprodukten des europäischen Rindes vorkommen und durch den Verzehr im Säuglingsalter die spätere Entstehung von Darm- und Brustkrebs fördern. Mittlerweile haben das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und das Max Rubner-Institut (MRI) die Datenlage genau untersucht und konnten keine Belege für eine Schädigung der menschlichen Gesundheit nachweisen. Weitere Studien zeigen zudem, dass BMMF in fast allen tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln vorkommen (BfR 2022).


Interviews mit Milch-Expertinnen und Experten

Taugen Pflanzendrinks als Milchersatz?

Porträtfoto von Prof. Dr. med Hans Hauner

Prof. Dr. med. Hans Hauner vom
Else Kröner Fresenius Zentrum für Ernährungsmedizin, Technische Universität München (TUM).

Copyright Bild: Klinikum rechts der Isar an der TUM.

„Pflanzendrinks werden heute gerne als die bessere Milch betrachtet. Vor allem junge Menschen lehnen Kuhmilch ab, weil sie diese mit Massentierhaltung, Umweltschäden und Klimagasemission verbinden. Die nicht wirklich gute Klimabilanz der Milch ist somit der Hauptgrund, warum immer mehr Menschen auf „Pflanzenmilch“-Produkte oder besser Pflanzendrinks umsteigen. Diese Entwicklung steht auch im Zusammenhang mit dem Trend zu mehr veganer Ernährung.

Dementsprechend gibt es immer mehr pflanzliche Alternativen zu Kuhmilch im Handel wie z. B. Hafer-, Soja- oder Mandelmilch. Für die Hersteller und Anbieter ist das ein gutes Geschäft, weil die Pflanzendrinks im Durchschnitt etwa doppelt so teuer wie Milch sind. Die üppige Werbung verschweigt dabei, dass diese Pflanzendrinks mit Milch wenig zu tun haben. Die Zusammensetzung ist völlig anders, sodass diese Getränke überhaupt nicht als Milchalternative bei Kleinkindern geeignet sind. Die auch von Eltern gerne gekaufte Hafermilch enthält kaum wertvolle Inhaltsstoffe wie z. B. wenig Eiweiß oder Kalzium, was Kleinkinder für ihr Wachstum brauchen. Das Pflanzendrinks teils zugesetzte Kalzium wird zwar auch vom Körper aufgenommen, aber nicht so gut wie aus der Milch. Genaue Studiendaten dazu fehlen aber.

Bisher ist darum nicht klar, wie der Gesundheitswert dieser Pflanzendrinks einzuschätzen ist. Die Getränke unterscheiden sich in der Zusammensetzung und nach Hersteller erheblich, sodass es wichtig ist, auf die Zutatenliste zu achten. Sie enthalten häufig zugesetzte Stoffe, z. B. um Geschmack und Aroma zu verbessern. Die Produkte sind durchweg hoch prozessiert. Selbst die Ökobilanz fällt nicht immer gut aus, z. B. für Soja- oder Mandelmilch.

Daher gibt es keinen Grund, Milch und Milchprodukte so negativ zu bewerten, wie dies derzeit „en vogue“ zu sein scheint. Die gesundheitlichen Aspekte des Milchkonsums sind in der Summe positiv zu bewerten. Biomilch liefert sogar noch etwas mehr von den gesunden, ungesättigten Fettsäuren sowie mehr fettlösliche Vitamine. Der Jodgehalt der Biomilch ist jedoch deutlich niedriger. Was die Ökobilanz angeht, sieht es für Biomilch auch besser aus, da die Tiere je nach Verbandsvorgaben eine bestimmte Zeitspanne auf der Weide verbringen. Das ist gut für die Biodiversität.”


„Für mich ist Milch ein echtes Superfood“

Foto von Milchsommelière Heike Zeller

Heike Zeller, eine der ersten bayerischen Milchsommelièren, berichtet: „Ich bin immer wieder fasziniert, wie unterschiedlich Milch schmecken kann. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, also beispielsweise der Fettgehalt und die Verarbeitung der Milch, aber auch die Haltung bzw. Fütterung der Kühe. So kann man mit etwas Übung durchaus erkennen, ob die Kuh weidet, oder gar den Sommer über auf der Alm steht, oder ohne Weidehaltung mit Silage gefüttert wird.

Das Futter schlägt sich manchmal auch optisch auf die Farbe der Milch nieder: Im Frühsommer, wenn die Kühe auf der Weide viel Löwenzahn fressen, ist die Milch beispielsweise gelblich. Und auch die daraus hergestellte „Mai-Butter“. Der Unterschied zwischen H-Milch und Frischmilch ist beispielsweise leicht herauszuschmecken. Die ultrahocherhitze Milch riecht und schmeckt deutlich süßer als eine wenig verarbeitete, naturbelassene Frischmilch.

Erstaunlich ist, dass wir Verbraucher uns im Laufe der Jahre an den leichten „Kochgeschmack“ der länger haltbaren Milche gewöhnt haben und das unverfälschte Aroma von frisch gemolkener Rohmilch gar nicht kennen bzw. mögen. Auch sind wir viel empfindlicher, wenn Milch per Hand gemolken wurde und so den Geruch der Stallluft angenommen hat. Geschulte Sensoriker erkennen bei der Rohmilch nicht nur stallige, sondern auch kräutige oder buttrige Geschmacksnuancen. Mich persönlich hat überrascht, dass eine verarbeitete Milch insgesamt stärker schmeckt als eine unverarbeitete, mit ihren zarten, frischen und weichen Geschmacksnuancen. Stärker verarbeitete Milch lässt sich hingegen besser aufschäumen, wenn man sie nicht über 60 Grad erhitzt und fettarme Sorten auswählt, die anteilsmäßig einen höheren Eiweißgehalt aufweisen.

Das Eiweiß aus Kuhmilch ist vom Körper übrigens besser verwertbar, als das aus Pflanzendrinks. Hinzu kommen viele weitere wertvolle Nährstoffe wie Omega-3-Fettsäuren, leicht verdauliches Milchfett, die Calciumaufnahme fördernder Milchzucker und lebensnotwendige Mineralstoffe bzw. Spurenelemente, die in dieser natürlichen und guten bekömmlichen Zusammensetzung kein anderes Lebensmittel bietet. Milch ist also ein echtes und vor allem heimisches Superfood.“

Kontakt:
https://www.aheu.bayern/
post@aheu.bayern


„Die Kuh an sich ist sicher kein Klimakiller”

Bild von Anton Dippold

Anton Dippold, Geschäftsführer der Bayerischen Staatsgüter: „Die Kuh an sich ist sicher kein Klimakiller. Wenn sie sich in einen ökologischen Kreislauf einfügt, ist sogar das Gegenteil der Fall. Denn Wiederkäuer sind in der Lage, für uns nicht essbares Gras zu verwerten und in hochwertige Lebensmittel wie Milch oder Fleisch zu veredeln.”

In Bayern besteht übrigens rund ein Drittel der landwirtschaftlich genutzten Fläche, etwas über 1 Million Hektar, aus Grünland. Das sind riesige Ressourcen, die sich auch nicht einfach in Ackerland umwandeln lassen.

Dass die Kuh durch Rülpsen Methan ausstößt, ist unvermeidlich. Dieses Treibhausgas ist zwar kurzlebiger, aber 15- bis 20-mal umweltschädlicher als CO2. Zusammen mit der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft wird gerade in einem Verbundprojekt „Methacow“ erforscht, wie sich der Methan-Ausstoß beispielsweise durch die Fütterung beeinflussen und reduzieren lässt. So konnten in anderen Untersuchungen beispielsweise gute Erfolge mit der zusätzlichen Fütterung von Algen oder Zitronengras gezeigt werden.

Doch neben dem Futter spielt auch die Gesundheit, die Nutzungsdauer und die Rasse der Kühe eine Rolle – also wenn es um Nachhaltigkeit geht. Der erste Punkt ist dabei der Wichtigste, denn die Gesundheit der Tiere steht an oberster Stelle. Wir müssen alles tun, damit es der Kuh gut geht. Dazu gehört genügend Platz, nach Möglichkeit auch Weidegang und eine regelmäßige Klauenpflege. Wenn es sich um das in Bayern vorwiegend eingesetzte und robuste Zwei-Nutzungs-Rind Fleckvieh handelt, fällt die CO2-Bilanz noch besser aus: weil neben der Milch zusätzlich Fleisch erzeugt wird. 

Insgesamt ist die Milchbranche also auf einem guten Weg. Doch die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen auch bereit sein, höhere Produktionskosten für Tierwohl und Klimaschutz durch höhere Milchpreise mitzutragen. Gut finde ich z. B. Initiativen, die mittels QR-Codes genaue Informationen zur Herkunft liefern. Wer die Möglichkeit hat, kann die Milch auch direkt beim Erzeuger kaufen und so einen direkten Einblick in die Haltung erfahren.“

Kontakt:
www.baysg.bayern.de


„Das Wohl der Tiere liegt uns Milchbauern naturgemäß am Herzen“

Bild von Christine Singer, Landesbäuerin des BBV

Christine Singer, Landesbäuerin des Bayerischen Bauernverbandes, bewirtschaftet mit ihrer Familie einen Milchviehbetrieb und ist seit mehr als 25 Jahren im Bayerischen Bauernverband aktiv.

„CO2-Ausstoß, Umweltschutz und Tierwohl, das sind die großen Themen, die für interessierte Verbraucher heutzutage wichtig sind, wenn sie vor dem Milchregal stehen. Und das ist auch gut so, denn die Milch ist ein vielfältiges und wertvolles Lebensmittel. Und wenn ich für mich und die meisten Milchbauern sprechen darf, wird sie auch mit großer Sorgfalt und Wertschätzung für die Tiere hergestellt. Das Wohl der Tiere steht für uns immer an erster Stelle, denn nur gesunde Tiere sind auch leistungsfähig und geben Milch.

Was hinzukommt: Milch ist eines der am besten kontrollierten Lebensmittel. Auf ihrem Weg – vom Milcherzeuger bis hin zum Verbraucher – unterliegt sie umfangreichen Prüfungen, Analysen und Qualitätsmaßnahmen. Ob Temperatur, pH-Wert, Keimzahl oder verabreichte Tierarzneimittel, alle diese Parameter werden regelmäßig kontrolliert und auch dokumentiert.

Aus Klimaschutzgründen auf Milch zu verzichten macht keinen Sinn, denn Kühe sind Teil eines biogenen Kreislaufs: sie fressen Biomasse (also Grünland), die Kohlenstoff gebunden hat. Milch als Klimatreiber zu bezeichnen, ist nicht gerechtfertigt. Im Gegenteil, denn bei der Erzeugung von Milchersatzprodukten, wie beispielsweise Haferdrink, bleiben pro Kilogramm auch vier Kilogramm nicht essbare Biomasse übrig. Dieses „Koppelprodukt“ kann dann aber wieder über die Tierhaltung verwertet werden. Vegane Lebensmittel sind also keine Alternative der Erzeugung, sondern Partner in einer Kreislaufwirtschaft.“

Kontakt:
Landesbaeuerin@BayerischerBauernVerband.de


„Wir erfüllen besonders hohe Anforderungen an Herdengesundheit, Melk- und Abfüllhygiene“

Katharina und Michael Lerf

Michael Lerf vom Milchhof Lerf, einziger Vorzugsmilch-Erzeuger in Bayern: „Seit 1993 erzeugen wir in unserem Familienbetrieb Vorzugsmilch nach den Richtlinien des ökologischen Landbaus.

Diese Milch wird weder erhitzt noch homogenisiert oder pasteurisiert und enthält so alle natürlichen Inhaltsstoffe und bis zu doppelt so viele Omega-3-Fettsäuren.

Schon früher wurde die Vorzugsmilch als Heil- und Kurmilch eingesetzt. Und auch heute gibt es Studien, die beweisen, dass sie das Immunsystem nachweislich stärkt und Allergien vorbeugen kann (Bauernhof-Effekt). Doch bei all den gesundheitlichen Vorzügen stellt die Produktion dieser unbehandelten Rohmilch hohe Anforderungen an das Futter und die Hygiene, denn die gesamten Haltungsbedingungen wirken sich auf die Qualität der Milch aus. So werden unsere 100 Kühe und die Milch jeder einzelnen Kuh monatlich auf Krankheitserreger (Zellproben) wie Salmonellen, Campylobacter, Listerien oder Escherichia coli kontrolliert. Was streng vom Veterinäramt überwacht wird.

Vor dem Melken werden die Euter desinfiziert und die Milch anschließend auf 4 Grad gekühlt, in Glasflaschen gefüllt und sofort ausgeliefert. So gelangt sie noch am selben Tag in die Kühlregale unserer Partner. Das muss auch schnell gehen, schließlich muss sie innerhalb von 96 Stunden verbraucht werden. Wenn man dies beachtet und eine normale gesundheitliche Konstitution hat, darf man Vorzugsmilch gerne trinken. Und so von ihrem einzigartigen Geschmack und wertvollen Inhaltsstoffen profitieren.“

Kontakt:
info@milchhof-lerf.de


Eine Lösung für das Kälber-Dilemma

Eine Kuh gibt nur kontinuierlich Milch, wenn sie jährlich ein Kalb bekommt. Das ist Fakt, aber längst nicht allen Verbrauchern und Verbraucherinnen bewusst. Umso entsetzter reagieren sie, wenn eine Reportage über „qualvolle“ Kälbertransporte ins EU-Ausland dies bewusst macht. Ganz ohne den Verkauf der meist männlichen Kälber geht es leider nicht. „Schließlich können nicht alle am Hof bleiben“, weiß Christine Singer vom Bayerischen Bauernverband. „Ein gewisser Teil der weiblichen Tiere ersetzt aber mit der Zeit den Abgang älterer Milchkühe.“ Trotzdem versuchen die Bauern ihr Möglichstes, um beispielsweise durch den Einsatz von geschlechtsgetrenntem („gesextem“) Sperma vor allem weibliche Nachwuchs-Kälber zu züchten und im Idealfall auch zu behalten.

Erfolgsversprechend sind sogenannte „Ich bleib am Hof“-Konzepte einzelner Betriebe, die ganz bewusst auf den Export der Kälber verzichten und diese stattdessen selbst behalten oder an heimische Landwirte abgeben. Ihr Ziel: Bio-Kalbfleisch von regionalen Kälbern, die aufwachsen, wo sie geboren wurden und mit hofeigener Milch gefüttert wurden. Zum Beispiel die Sonnberg Biofleisch GmbH in Österreich: https://biofleisch.biz/.

Auch die Schweisfurth Stiftung setzt sich seit Jahren für eine kuhgebundene Kälberaufzucht ein. Dies bedeutet, dass die Kälber von der eigenen Mutter oder einer Ammenkuh gesäugt werden und täglich Kontakt mit erwachsenen Kühen haben. Verbraucher können Produkte am „Zeit zu zweit“-Siegel erkennen. Das Gemeinschaftsprojekt der Demeter HeuMilch Bauern und des Nutztierschutzvereins Provieh ist bisher einzigartig in Deutschland und steht für kuhgebundene Kälberaufzucht. Die Kälber wachsen für mindestens vier Wochen bei der Mutter und/oder Amme auf. Die Kriterien müssen auf alle dem Betrieb angehörigen Tiere, weibliche wie männliche, angewendet werden. Die männlichen Kälber verbleiben auf den Höfen und werden später vermarktet. Langstreckentransporte lebender Tiere können somit verhindert werden.

Das Siegel „Zeit zu zweit – für Kuh + Kalb“ der Demeter HeuMilchBauern gibt es seit 2019.
Siegel „Zeit zu zweit – für Kuh + Kalb“ der Demeter HeuMilchBauern
Das Label „Elternzeit für unsere Kühe“ wurde von der Erzeugergemeinschaft De Öko Melkburen entwickelt. Die Höfe liegen alle in Schleswig-Holstein und praktizieren muttergebundene Kälberaufzucht.
Label „Elternzeit für unsere Kühe“ von der Erzeugergemeinschaft De Öko Melkburen

Weitere Infos unter: www.provieh.de/kampagnen/kuh-und-kalb


Nachweise

BfR – Bundesamt für Risikobewertung (2022): Neue Erkenntnisse zu „Bovine Meat and Milk Factors“ (BMMF): Stellungnahme Nr. 036/2022 des BfR vom 30. November 2022, [online] https://doi.org/10.17590/20221130-121559

BMEL – Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2022): Deutschland, wie es isst – Der BMEL-Ernährungsreport 2022, [online] https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/ernaehrungsreport-2022.html

DGE – Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2024): DGE-Ernährungskreis [online am 10.04.2024] https://www.dge.de/gesunde-ernaehrung/gut-essen-und-trinken/dge-ernaehrungskreis/

ProVeg e.V. (2019): Ist Milch gesund?, [online] https://proveg.com/de/5-pros/gesundheit/ist-milch-gesund/

Richter et al. (2020): Ergänzung der DGE-Position zu veganer Ernährung, Ernährungs Umschau – Sonderheft 5: Vegan, [online] https://www.dge.de/wissenschaft/stellungnahmen-und-fachinformationen/positionen/ergaenzung-der-position-zu-veganer-ernaehrung/

Rudloff et al. (2019): Vegetarische Kostformen im Kindes- und Jugendalter: Stellungnahme der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ), Monatsschr Kinderheilkd, [online] https://doi.org/10.1007/s00112-018-0547-6

Weder et al. (2020): Die Gießener vegane Lebensmittelpyramide, UGBforum 1/20, [online] https://www.ugb.de/ugb-medien/einzelhefte/klimawandel-clever-handeln/die-giessener-vegane-lebensmittelpyramide/

Willet et al. (2019): Food in the Anthropocene: the EAT–Lancet Commission on healthy diets from sustainable food systems. Lancet 393(10170): 447–492, [online] https://doi.org/10.1016/S0140-6736(18)31788-4

Titelbild: Yanawut Suntornkij/stock.adobe.com


Stand: Juni 2023

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