Ein Mann schüttet Milch aus einem Kübel in einen Trichter, neben Kühen, die gemolken werden
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Mythen und Fakten zur Milch

Mythos 1: „In Milch sind massenhaft Antibiotika.“

Das ist falsch. Bei Untersuchungen wurden nur selten Antibiotikarückstände entdeckt. So testete das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in den Jahren 2008 bis 2021 rund 1.200 Proben aus dem bayerischen Einzelhandel auf ein ganzes Spektrum von Antibiotikarückständen. Ergebnis: Nur eine der Proben entsprach nicht den gesetzlichen Vorgaben (Hausmann/Holtmannspötter 2013). Auch in Eiern, Honig und Rindfleisch fanden sich keine nennenswerten Reste von Antibiotika. Behörden anderer Bundesländer untersuchten Milch auch auf Rückstände von weiteren Tierarzneimitteln. 2017 überschritten dabei nur zwei von 1.510 Proben den Höchstgehalt für einen Entzündungshemmer (BVL 2019). Andere Proben, die auf verbotene und nicht zugelassene Stoffe, sonstige Tierarzneimittel sowie Umweltgifte getestet wurden, waren unauffällig.

Insgesamt nimmt die Menge von Antibiotika in der Tiermedizin in Deutschland ab: insgesamt wurden im Jahr 2021 78 Tonnen weniger Antibiotika eingesetzt als 2017. Das entspricht einem Rückgang um 18 Prozent (BMEL 2022). Seit Beginn der Erfassung im Jahr 2011 sank die abgegebene Menge Antibiotika bis zum Jahr 2021 um rund 65 Prozent (BLE 2023).

Mythos 2: „Milch enthält Hormone und verursacht bei Frauen Brustkrebs.“

Die Fakten sehen anders aus. Zwar ist Kuhmilch laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) eine Quelle von Östrogen und Progesteron. Diese Hormone sind von Natur aus in Kuhmilch enthalten, gelangen nach dem Verzehr in geringen Mengen ins Blut und mischen sich mit den menschlichen Hormonen – die allerdings in viel höherer Konzentration vorliegen. Es ist aber faktisch falsch, dass Hormone der Kuh im Körper von Frauen wie körpereigene Hormone wirken. Auch gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass sie Brustkrebs verursachen. Voraussetzung dafür wäre, dass extrem viele Östrogene aus der Kuhmilch ins Blut übergehen – aber Darm und Magen bauen die fremden Hormone zu 95 bis 99 Prozent ab.

Was übrig bleibt, reicht nicht, um Effekte zu zeigen. Das zeigten auch Studien an Mäusen: Kuhmilch führte bei den Tieren nicht zu einem relevanten Anstieg der aktiven Östrogene im Blut (Snoj/Majdič 2018). Die Wissenschaftler bezifferten den Anteil aufgenommener Hormone im Vergleich zu den körpereigenen auf 0,01 bzw. 0,1 Prozent. Erst ab der zehnfachen Menge – ab einem Prozent – sieht die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA ein potenzielles Risiko für Menschen. Auch das BfR schätzt die Risiken von Hormonen in der Milch als gering ein (BfR 2014). Hormone als Mastmittel im Tierfutter sind in der EU übrigens seit 1988 verboten.

Im Forschungsstand zur Milch gibt es weitere Informationen zum Thema Milch und Krebs.

Mythos 3: „Erwachsene sind nicht dafür gemacht, Milch zu verdauen.“

Das stimmt nicht. Zwar können Säuglinge Milch besonders gut verdauen, Grund ist das Enzym Laktase, das im Darm den Milchzucker aufspaltet. Kinder bis zum 5. Lebensjahr produzieren das Enzym in höherer Menge, diese Fähigkeit lässt bei Erwachsenen nach. Doch je nach Region ist das sehr unterschiedlich: Die große Mehrheit der Menschen in Europa, rund 85 Prozent, kann ein Leben lang Milch verdauen, ihr Dünndarm produziert weiterhin Laktase – ein Ergebnis der Evolution: In Europa wird seit Tausenden von Jahren Milchvieh gehalten, die Gene der Menschen haben sich daran angepasst.

Das Phänomen gibt es auch in Asien und Afrika, etwa bei den Massai, die Milch täglich verzehren. Milchprodukte verdauen zu können, hat Vorteile, denn Milch ist verglichen mit anderen eiweißhaltigen Lebensmitteln eine sehr gute Proteinquelle. Dies lässt sich anhand eines Kennwerts aus der Ernährungswissenschaft, dem sogenannten Aminosäureindex (PDCAA-Score), veranschaulichen. Dieser Score gibt an, wie viele unentbehrliche Aminosäuren ein Lebensmittel enthält. Milcheiweiß erreicht dabei einen Score von 100–123, während Sojabohnenprotein nur 54–83, Haferprotein 57–67 und Mandelprotein 23 Punkte erreichen (Scholz-Ahrens et al. 2020).

Milchprodukte decken den Eiweißbedarf also sehr effizient, denn je höher die Proteinqualität ist, desto weniger muss man davon aufnehmen.

Ausführliche Informationen zur Laktoseintoleranz gibt es unter „Mehr Wissen“

Mythos 4: „Milch verschleimt Darmzotten und Atemwege.“

Dieser Mythos gilt als widerlegt! Besonders Sängerinnen und Sänger glauben daran: Vor dem Auftritt bloß keine Mich trinken – Milch verschleimt! Auch Eltern kleiner Kinder befürchten bei Erkältungen, dass Milch die Ursache ist oder die Infektion verschlimmert. Doch die Milch-Schleim-Legende gilt in der Ernährungsmedizin als widerlegt: Schon zur letzten Jahrtausendwende wurde der Volksglaube gründlich untersucht, konnte aber nicht wissenschaftlich belegt werden (Zaitlin et al. 2013, Wüthrich et al. 2005). Trotzdem gibt es Menschen, die das Gefühl schildern, wie sich Milch auf ihre Atemwege legt. Wissenschaftler führen solche Empfindungen auf die Textur der Milch oder einen Placebo-Effekt zurück.

Auch sonst sind Milch und Milchprodukte kein Risiko für die Atemwege. So erhöhen sie zum Beispiel nicht die Gefahr von Asthma, im Gegenteil: Studien weisen darauf hin, dass Milchprodukte mit normalem Fettgehalt das Asthmarisiko sogar verringern sowie Anfälle und deren Verlauf mildern können (Knol et al. 2019). Das liegt wahrscheinlich an bestimmten Fettsäuren, Kalzium und Vitamin D in der Milch.

Mythos 5: „Rohmilch enthält Keime.“

Das ist richtig und nicht immer unproblematisch. Laut einer Befragung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR 2023) trinken 9 % der Befragten täglich bzw. mehrmals in der Woche Rohmilch, 10 % einmal wöchentlich. Der gesundheitliche Nutzen wurde dabei von 32 % als (sehr) hoch eingeschätzt, das gesundheitliche Risiko durch Keime und Bakterien von 50 % als (sehr) niedrig. Nur 19 % waren sich des Risikos bewusst.

Die Frage, ob Rohmilch gesund ist, lässt sich nicht eindeutig beantworten: Studien belegen, dass naturbelassene Milch mehr gesunde Inhaltsstoffe wie Omega-3-Fettsäuren enthält. Vor allem Allergiker-Kinder profitieren vom sogenannten „Bauernhof-Effekt“, leiden dank regelmäßig getrunkener Rohmilch seltener an Erkrankungen wie Asthma Bronchiale, Heuschnupfen oder Neurodermitis (Brick et al. 2016).

Trotzdem rät das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit Risikogruppen wie Kindern, Schwangeren und älteren Menschen aufgrund einer möglichen Infektionsgefahr durch Keime wie Campylobacter spp. und STEC oder multiresistenten Bakterien wie ESBL/AmpC-bildende E. coli auf Rohmilch zu verzichten und diese in jedem Fall abzukochen (BVL 2020). Dieser Hinweis ist in Deutschland ohnehin verpflichtend und muss an der Abgabestelle gut sichtbar angebracht sein.

Wenn spezielle und vor allem streng und regelmäßig kontrollierte hygienische Voraussetzungen erfüllt sind, dürfen landwirtschaftliche Betriebe „Vorzugsmilch“ in Fertigpackungen an Verbraucher abgeben. (Ein Beispielbetrieb kommt in der Debatte zu Wort) Diese wird nach dem Melken auf vier Grad abgekühlt, in Glasflaschen gefüllt und sofort an den Supermarkt ausgeliefert. Hier gilt ein Verbrauchsdatum von 96 Stunden.

Auf einen Blick: Infografik zu 5 Mythen über Milch

Infografik zu 5 Mythen & Fakten zur Milch
Copyright: Ernährungsradar

Nachweise

BfR – Bundesinstitut für Risikobewertung (2014): Fragen und Antworten zu Hormonen in Fleisch und Milch, FAQ des BfR vom 11.6.2014, [online] https://www.bfr.bund.de/cm/343/fragen-und-antworten-zu-hormonen-in-fleisch.pdf

BfR – Bundesinstitut für Risikobewertung (2023). BfR-Verbrauchermonitor 2023 | Spezial Rohe Lebensmittel, ISBN 978-3-948484-54-5, [online] https://www.bfr.bund.de/cm/350/bfr-verbrauchermonitor-2023-rohe-lebensmittel.pdf

BLE – Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (2023): Antibiotika in der Nutztierhaltung, [online] https://www.landwirtschaft.de/diskussion-und-dialog/tierhaltung/antibiotika-in-der-nutztierhaltung

Brick et al. (2016): ω-3 fatty acids contribute to the asthma-protective effect of unprocessed cow’s milk. J Allergy Clin Immunol. 2016 Jun;137(6):1699-1706.e13, [online] https://doi.org/10.1016/j.jaci.2015.10.042

BMEL – Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2022): Tiermedizin: Einsatz von Antibiotika bei Masttieren sinkt, Pressemitteilung 184/2022 vom 20.12.2022, [online] https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/184-antibiotika.html

BVL – Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (2019): Lebensmittel im Blickpunkt: Milch ist nicht gleich Milch, Pressemitteilung vom 28.05.2019, [online] https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/01_lebensmittel/2019/2019_05_28_PI_LM_Milch.html

BVL – Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (2020). Zoonosen-Monitoring 2019, BVL-Report 15.2, Berichte zur Lebensmittelsicherheit, [online] https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/01_Lebensmittel/04_Zoonosen_Monitoring/Zoonosen_Monitoring_Bericht_2019.pdf?__blob=publicationFile&v=6

Hausmann B, Holtmannspötter H (2013): Erfassung von Antibiotikarückständen in ausgewählten Lebensmitteln tierischer Herkunft, in: Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (Hrsg.), Schriftenreihe Lebensmittelsicherheit in Bayern, Band 4, [online] https://www.lgl.bayern.de/lebensmittel/chemie/arzneimittelrueckstaende/antibiotika/antibiotika_tierische_lebensmittel.htm

Knol et al. (2019): Management of Cow’s Milk Allergy from an Immunological Perspective: What Are the Options?, in: Nutrients 2019, 11(11):2734, [online] https://doi.org/10.3390/nu11112734

Scholz-Ahrens et al. (2020): Nutritional and health attributes of milk and milk imitations, in: European Journal of Nutrition 59:19–34, [online] https://doi.org/10.1007/s00394-019-01936-3

Snoj T, Majdič G (2018): Mechanisms in endocrinology: Estrogens in consumer milk: is there a risk to human reproductive health?, in: European Journal of Endocrinology 179(6):R275–R286, [online] https://doi.org/10.1530/EJE-18-0591

Wüthrich et al. (2005): Milk consumption does not lead to mucus production or occurrence of asthma, in: Journal of the American College of Nutrition 24(6 Suppl):547S–55S, [online] https://doi.org/10.1080/07315724.2005.10719503

Zaitlin et al. (2013): Mistaken Beliefs and the Facts About Milk and Dairy Foods, in: Nutrition Today 48(3):135–143, [online] https://journals.lww.com/nutritiontodayonline/Abstract/2013/05000/Mistaken_Beliefs_and_the_Facts_About_Milk_and.8.aspx

Titelbild: Yanawut Suntornkij/stock.adobe.com


Stand: Juni 2023

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