Eine übergewichtige Person steht auf einer Waage
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Mythen & Fakten zu Adipositas

Mythos 1: Stark übergewichtige Menschen können sich selbst behandeln – weniger essen, mehr Sport, das reicht schon!

Nein, so einfach geht es nicht. Es stimmt zwar, dass der Energiehaushalt bei Adipositas in einer Schieflage ist – mehr Kalorien kommen in den Körper, als er verbraucht. Aber dass schwer Übergewichtige ihre Ernährung mal eben umstellen können, stimmt deshalb noch lange nicht: Essverhalten ist sehr tief verwurzelt, die Basis liegt in der frühen Kindheit. Oft kommen psychische Gründe für bestimmte Vorlieben oder Essrituale dazu (DAG 2024). So essen manche Menschen, um sich zu trösten oder zu belohnen, um Stress abzubauen, oder weil Essen ihren Tag strukturiert. Hier können nur geschulte Ernährungs- bzw. Psychotherapeutinnen und -therapeuten helfen. Und es kostet Zeit, ein teils jahrzehntelang eingeübtes Verhalten zu ändern.

Auch gibt es genetische Gründe, warum der Körper mancher Menschen wenig Energie verbraucht. Eine wichtige Größe dabei ist der Grundumsatz, der Verbrauch an Energie, den der Körper aufwendet, um die Organe zu versorgen. Dieser Grundumsatz ist von Mensch zu Mensch sehr verschieden. Wer von Natur aus einen niedrigen Grundumsatz hat, also wenig verbraucht, neigt dazu, Gewicht anzusetzen (BZfE 2019).

Und wie ist das mit dem Sport? Bewegung ist wichtig für die Gesundheit. Wenn es ums Abnehmen geht, sollte man im Idealfalls aber mind. 5 Stunden die Woche (bzw. 30–60 Minuten pro Tag) Sport treiben, zum Beispiel walken (DAG 2024). In einer Studie von 2021 (Bellicha et al. 2021) fanden sich aber keine Unterschiede zwischen Ausdauertraining, Krafttraining oder hochintensivem Intervalltraining (HIIT). Alle Probanden verloren signifikant mehr Gewicht als Probanden der Kontrollgruppe, die nicht trainierten! Auch andere Studien zeigen, dass Krafttraining ebenfalls beim Abnehmen helfen und zudem dem Abbau der Knochendichte entgegenwirken kann (Poggiogalle et al. 2021).

Dennoch bleibt es dabei: Adipositas ist eine chronische Krankheit mit komplexem Entstehen – und deshalb nicht leicht selbst zu behandeln (Universitätsklinikum Leipzig).

Mythos 2: Mit Intervallfasten kann man leicht abnehmen

Leider falsch – mit zeitweisem Fasten nimmt man nicht schneller oder besser ab als mit anderen Diäten. Verlockend am Intervallfasten ist aber, dass es im freien Zeitraum weder Kalorienzählen noch Verbote enthält: Innerhalb einer bestimmten Frist darf man essen, was und wie viel man will. Dafür gibt es in einem anderen Zeitraum wenig oder nichts.

Die gängigsten Formeln für diese Intervalle sind 16:8 oder 5:2. Die 16:8-Methode teilt die Tageszeit ein: 16 Stunden wird gefastet, vorzugsweise über Nacht. Innerhalb von 8 Stunden darf gegessen werden, zum Beispiel morgens bis mittags oder ab dem Nachmittag bis zum Abend. Den Zeitraum kann man frei wählen, je nach Vorliebe und eigenem Rhythmus. Die 5:2-Diät bezieht sich auf eine Woche: An 5 Tagen isst man, was man will, an 2 Tagen wird gefastet, bei maximal 800 kcal. Das erklärt, warum Intervallfasten so populär ist: Vielen Menschen scheint es leichter zu fallen, sich nur gelegentlich zurückzuhalten, als dauerhaft Kalorien zu zählen.

Fettgewebe, das Leber und Bauchspeicheldrüse umgibt und mit vielen Krankheiten in Verbindung gebracht wird, nimmt beim Intervallfasten tatsächlich ab. Das gilt jedoch für herkömmliche Diäten mit weniger Fett oder Kohlenhydraten genauso, wie Forschende des Deutschen Krebsforschungsinstituts Heidelberg in der HELENA-Studie herausfanden (Schübel et al. 2018). Auch eine Studie aus China zeigt, dass Intervallfasten nicht effektiver ist als herkömmliche Diäten (Liu et al. 2022).

Mythos 3: Low Carb ist besser als Low Fat

Das stimmt nach Ansicht vieler Experten nicht. Low-Carb-Diäten mit weniger Kohlenhydraten werden zwar oft als Erfolgskonzept verkauft und scheinen frühere Konzepte abgelöst zu haben. Doch bisher ist noch nicht sicher belegt, dass das Abnehmen mit Verzicht auf Kohlenhydrate besser klappt als mit dem Verzicht auf Fett. Es gibt viele Studien, die für die eine oder die andere Form sprechen, die DIETFITS-Studie hat beide miteinander verglichen. Das Ergebnis: Nach zwölf Monaten verloren die Teilnehmenden der Low-Fat-Gruppe durchschnittlich 5,3 Kilogramm und die der Low-Carb-Gruppe 6 Kilogramm Gewicht (Gardner et al. 2018).

Es gibt also die eine, beste Diät nicht. Für den einen kann eine Low-Carb-Diät zum Abnehmerfolg führen, während die andere mit einer Low-Fat-Ernährung besser zurechtkommt. Grundsätzlich gilt: Jede Ernährungsweise mit einem hohen Anteil an energiearmem Gemüse und Obst ist zum Abnehmen und Gewicht halten geeignet. Es kommt darauf an, was mit dem individuellen Lebensstil am besten vereinbar ist und durchgehalten werden kann.

Mythos 4: Dicke Frauen sind fruchtbarer

Eher ist das Gegenteil der Fall: Bereits ein BMI von 25–30 führt zu einer um 30 % reduzierten Fruchtbarkeit im Vergleich zu Frauen mit einem BMI von 20–25 (Keck/Sonntag 2019). Übergewicht und Adipositas wirken sich negativ auf Eisprung und Eizellreifung aus. Auch eine bestimmte Hormonstörung mit Zysten an den Eierstöcken kommt häufiger bei adipösen Patientinnen vor, das polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS) (Neulen 2007). Diese Erkrankung führt dazu, dass die Eierstöcke nur noch eingeschränkt funktionieren. Durch eine Gewichtsabnahme steigt die Chance auf eine Schwangerschaft nicht unbedingt, aber die Frauen profitieren dennoch gesundheitlich (Legro et al. 2022).

Auch Männer sind betroffen: Wer stark adipös ist, ist öfter gar nicht oder nur vermindert zeugungsfähig. Immerhin verdoppelte sich die Spermienzahl bei Männern, die abnahmen und ihr Gewicht halten konnten (Andersen et al. 2022). Experten raten Frauen mit Kinderwunsch noch aus einem anderen Grund, auf ihr Gewicht zu achten: Eine übergewichtige oder adipöse Mutter programmiert das ungeborene Kind schon im Mutterleib. Kinder übergewichtiger Mütter haben ein deutlich erhöhtes Risiko, selbst übergewichtig oder adipös zu werden (Hu et al. 2019) sowie Stoffwechselstörungen wie Diabetes Typ 2 zu entwickeln (Lahti-Pulkkinen et al. 2019).

Mythos 5: Nach der Adipositas-Operation kann man essen, was man möchte

Das ist falsch. Was und wie gegessen wird, verändert sich nach dem Eingriff sogar für den Rest des Lebens. Zunächst müssen die Patienten Schritt für Schritt neu essen lernen: Anfangs können sie nur Flüssiges wie Milch- und Gemüsesuppen zu sich nehmen, in der zweiten Phase kommen Fisch und Fleisch sowie püriertes Gemüse und Obst dazu. Bevor eine dauerhafte Kost als Langzeiternährung etabliert ist, gibt es in der Regel leichte Vollkost. Sie enthält bekömmliche Mahlzeiten, die eiweißhaltig, aber fett- und zuckerarm sind. Allgemeine Richtlinien für das Essen nach Magenverkleinerung oder Magenbypass sind (Adipositaszentrum Stuttgart 2018):

  • gründlich kauen
  • kleine Portionen
  • beim Essen mit den eiweißreichen Komponenten beginnen
  • Essen und Trinken trennen
  • zucker- und fettreiche Speisen sowie Alkohol kontrolliert konsumieren
  • kohlensäurehaltige Getränke vermeiden
  • nicht zu heiß, nicht zu kalt, nicht zu scharf, nicht zu fettig essen

Text: KErn – jb, elz; Katharina A. Goerg

Auch zum Anhören: Mythen & Fakten Adipositas

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Nachweise

Adipositaszentrum Stuttgart (2018): Ernährung nach bariatrischer Operation. Karl-Olga-Krankenhaus

Andersen et al. (2022): Sperm count is increased by diet-induced weight loss and maintained by exercise or GLP-1 analogue treatment: a randomized controlled trial. Hum Reprod 37(7):1414–1422

Bellicha et al. (2021): Effect of exercise training before and after bariatric surgery: A systematic review and meta-analysis. Obes rev22(S4):e13296–e13296

BZfE – Bundeszentrum für Ernährung (2019): Adipositas – nicht heilbar, aber behandelbar

DAG – Deutsche Adipositas-Gesellschaft e.V. (2024): S3-Leitlinie Adipositas – Prävention und Therapie, Version 5.0

Gardner et al. (2018): Effect of low-fat vs low-carbohydrate diet on 12-month weight loss in overweight adults and the association with genotype pattern or insulin secretion: The DIETFITS randomized clinical trial. JAMA 319(13):1386

Hu et al. (2019): Maternal metabolic factors during pregnancy predict early childhood growth trajectories and obesity risk: the CANDLE Study. Int J Obes 43:1914–1922

Keck C, Sonntag B (2019): Die adipöse Patientin mit Kinderwunsch. Gynäkologe 52:644–653

Lahti-Pulkkinen et al. (2019): Consequences of being overweight or obese during pregnancy on diabetes in the offspring: a record linkage study in Aberdeen, Scotland. Diabetologia 62:1412–1419

Legro et al. (2022): Effects of preconception lifestyle intervention in infertile women with obesity: The FIT-PLESE randomized controlled trial. PLoS Med 19(1):e1003883

Liu et al. (2022): Calorie Restriction with or without Time-Restricted Eating in Weight Loss. N Engl J Med 386:1495–1504

Neulen J (2007): Adipositas – Bedeutung bei verschiedenen gynäkologisch-endokrinologischen Fragestellungen. Gynäkologe 50(2):120–124

Poggiogalle et al. (2021): Therapeutic strategies for sarcopenic obesity: a systematic review. Curr Opin Clin Nutr Metab Care 24(1):33–41

Schübel et al. (2018): Effects of intermittent and continuous calorie restriction on body weight and metabolism over 50 wk: a randomized controlled trial. Am J Clin Nutr. 108(5):933–945

Universitätsklinikum Leipzig: Adipositas-Therapie für Erwachsene

Titelbild: milatas/stock.adobe.com


Stand: November 2024

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