Weizenfeld mit Fahrspur
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„Weizenwampe: Warum Weizen dick und krank macht“ von Dr. William Davis

Weizenzüchtungen seien verantwortlich für einen Teil moderner Zivilisationskrankheiten – das behauptet Dr. William Davis in seinem Bestseller Weizenwampe: Warum Weizen dick und krank macht.

Worum geht’s?

Buchcover:  Weizenwampe - Warum Weizen dick und krank macht von William Davis

Der US-amerikanische Mediziner Dr. William Davis veröffentlichte 2011 „Wheat Belly: Lose the Wheat, Lose the Weight, and Find Your Path Back to Health”. Das Buch schaffte es auf Platz eins der New-York-Times-Bestseller-Liste und erschien 2013 in deutscher Übersetzung unter dem Titel „Weizenwampe: Warum Weizen dick und krank macht“. Inzwischen liegt die 27. Auflage vor, was die bis heute anhaltende starke Verbreitung auch hierzulande belegt.

Die zentrale These des Buches lautet, dass der Konsum von Weizenprodukten wesentlich verantwortlich sei für viele sogenannte Zivilisationskrankheiten wie Herzerkrankungen, Diabetes Typ II, Osteoporose oder Adipositas. Davis behauptet, dass die am häufigsten konsumierten Weizensorten seit der Mitte des 20. Jahrhunderts züchterisch verändert wurden – und die damit einhergehenden genetischen Veränderungen schlecht für die menschliche Gesundheit seien.

Wie gut sind die Infos?

Wie kann ein Nahrungsmittel, das seit Jahrtausenden die wichtigste Lebensgrundlage für einen großen Teil der Weltbevölkerung darstellt, so schädlich sein? Davis‘ Antwort: Der Weizen von heute sei ganz anders als der Weizen früherer Jahrhunderte. Durch Züchtung herbeigeführte genetische Veränderungen hätten ihn ungesund gemacht. Stimmt das?

Weizenzüchtung

Richtig ist, dass Weizen wie andere Nutzpflanzen gezüchtet und damit genetisch verändert wird. Das ist auch dringend nötig, da z. B. immer wieder neue Varianten von Krankheitserregern entstehen. Davis behauptet, Mitte des 20. Jahrhunderts seien neue Züchtungsmethoden entwickelt worden und der Weizen sei „im Labor zerlegt, zerschnippelt und neu zusammengesetzt“ (S. 37) worden. Dieses Vorgehen entspricht allerdings keineswegs der Praxis: Seit den 1950er Jahren hat die Weizenzüchtung in der Tat große Fortschritte erzielt, allerdings durch die klassischen Methoden der Kreuzung und Selektion.

Zwei Zuchterfolge waren besonders wichtig:

  • Es ist gelungen, die Resistenz gegen den Getreiderost, einen bedrohlichen Schädling, zu verbessern.
  • Heutige Weizensorten sind kleinwüchsig. Sie sind dadurch stabiler, weniger anfällig für Wind, Starkregen und andere Einflüsse. Außerdem stecken sie einen größeren Teil der mit der Photosynthese produzierten Biomasse in die Körner.

Das hat eine enorme Steigerung der Weizenerträge und damit auch des Wohlstands ermöglicht. Norman Borlaug, einer der profiliertesten Weizenzüchter, erhielt 1970 den Friedensnobelpreis für seine Verdienste um die verbesserten Weizensorten.

Das Weizenkorn

Gibt es Belege dafür, dass die Inhaltsstoffe des Weizenkorns durch Züchtungen für den Menschen weniger verträglich wurden?

Im Weizenkorn ist alles, was der darin enthaltene Embryo für seine weitere Entwicklung ab der Keimung benötigt. Neben Stärke, Fetten, Mineralstoffen und Vitaminen sind das hunderte verschiedener Proteine. Der größte Teil dieser Proteine sind verschiedene Speicherproteine, die unter dem Begriff „Gluten“ zusammengefasst werden. Gluten löst bei etwa 1 Prozent der Bevölkerung Zöliakie aus (eine chronische Erkrankung des Darms) und ist deshalb für manche Menschen tatsächlich ein Gesundheitsrisiko. Bis zu 5 Prozent der Bevölkerung stellen bei sich zudem eine Gluten-Sensitivität fest.

Gluten ist jedoch in alten Weizensorten ebenso enthalten wie in den heute vorwiegend angebauten modernen Sorten. Das gilt auch für andere Weizenarten wie Dinkel sowie für Roggen, Gerste und Hafer. Weder aus Sicht der Biochemie noch der Genetik gibt es Belege dafür, dass sich die Proteinzusammensetzung des Weizenkorns im Laufe der Züchtung nennenswert verändert hat. Damit bricht die Basis der Argumentation von William Davis.

Fazit

Das Buch „Weizenwampe“ hat den Startschuss für die Verbreitung einer sehr einfachen, aber unzutreffenden Erklärung für heutige Zivilisationskrankheiten gegeben. Die Thesen sind wissenschaftlich nicht haltbar und letztlich schädlich, da vor allem Vollkorn-Weizenprodukte für die meisten Menschen nicht nur eine wichtige Kalorienquelle sind, sondern mit den enthaltenen Vitaminen, Mineralien und Ballaststoffen die Gesundheit fördern, da sie z. B. Diabetes- und Krebsrisiken senken.

Wer sind die Macher?

William R. Davis ist ein US-amerikanischer Kardiologe und Präventivmediziner. Er zeichnet nicht nur für die höchst erfolgreiche „Weizenwampe“ verantwortlich, sondern auch für mehrere darauf aufbauende Kochbücher. In der wissenschaftlichen Community wird er für seine Behauptungen und Schlussfolgerungen in Bezug auf moderne Weizenzüchtungen stark kritisiert.

Woher kommt das Geld?

Auf seiner Homepage (drdavisinfinitehealth.com) bietet Davis Unterstützung bei der Umsetzung seiner Ernährungsempfehlungen. Es gibt einen kostenpflichtigen Zugang zum „Inner Circle“, einer „Exklusiven Online-Community“; dort haben Diätwillige Zugang zu weiterführenden Informationen und Rezepten, Webinaren und persönlichen Meetings mit Davis. Zusätzlich bietet Davis persönliche Coachings an und verweist mit Paid Links auf zahlreiche Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel, Bücher und diverse Utensilien.

Text: Prof. Dr. Stephan Clemens


Nachweise

Brouns et al. (2013): Does wheat make us fat and sick? Journal of Cereal Science 58:209–215. doi.org/10.1016/j.jcs.2013.06.002

Shewry PR & Hey SJ (2016): Do we need to worry about eating wheat? Nutrition Bulletin 41:6–13. doi.org/10.1111/nbu.12186

Shewry et al. (2016): Is modern wheat bad for health? Nature Plants 2:16097. doi.org/10.1038/nplants.2016.97

Ye et al. (2012). Greater whole-grain intake is associated with lower risk of type 2 diabetes, cardiovascular disease, and weight gain. The Journal of Nutrition 142:1304–1313. doi.org/10.3945/jn.113.179473

www.nobelprize.org/prizes/peace/1970/borlaug/facts/

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Stand: Februar 2024

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