KI-generiertes Bild, auf dem der Oberkörper einer Person zu sehen ist, die einen virtuellen Darm über den Händen schweben lässt.

‚Könnte gesund sein!‘ – Was wir über das Mikrobiom und Ernährung wissen

In den letzten 20 Jahren sind rund 185.000 wissenschaftliche Beiträge erschienen, die sich mit dem Thema Mikrobiom beschäftigen (Suchanfrage „Microbiome“ bei PubMed Anfang 2025). Seit der Entwicklung der Hochdurchsatzsequenzierung zu Beginn der 2000er entwickelte sich dieses Forschungsgebiet rasant: Erstmals stand eine Technologie zur Verfügung, die die erforderlichen Datenmengen bewältigen konnte. Doch trotz vieler Jahre intensiver Forschung sind wissenschaftliche Artikel über das Mikrobiom bis heute geprägt von Formulierungen wie „möglicherweise besteht ein Zusammenhang“ (Korrelationen) und sehr wenig Kausalitäten bzw. „das Mikrobiom ist die Ursache von …“ (Stecher et al. 2019).

Im Widerspruch dazu ist in den letzten Jahren vor allem das Darm-Mikrobiom zum Shooting-Star in Medien und populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen avanciert. Ein „gesundes“ Mikrobiom erscheint darin als Schlüssel zu körperlichem und geistigem Wohlbefinden. Wir haben uns das genauer angeschaut und recherchiert: Was ist das Mikrobiom überhaupt? Mit welchen Krankheiten wird es in Verbindung gebracht? Welchen Einfluss hat die Ernährung? Wie entsteht unser Wissen über das Mikrobiom? Und was wissen wir noch nicht?

Kurz gesagt

  • Das Mikrobiom umfasst Mikroorganismen wie Bakterien, Hefen und Viren, sowie deren Genom, Stoffwechselprodukte und Umweltbedingungen
  • Bislang wurde in keinem Fall nachgewiesen, dass die Ursache für eine Erkrankung im Darmmikrobiom liegt – auch wenn es nachweislich Zusammenhänge gibt.
  • Die Ernährung ist einer von vielen Faktoren, die die Zusammensetzung des Darmmikrobioms beeinflussen.
  • Eine ballaststoffreiche Ernährung versorgt die Mikroorganismen im Darm mit Nahrung.
  • Allgemeingültige Aussagen über das Mikrobiom sind in der Regel verkürzt.

Inhalt


Was ist das Mikrobiom?

Mikrobiota und Mikrobiom werden häufig synonym verwendet, sind allerdings nicht identisch. Der Begriff „Darmflora“ ist im wissenschaftlichen Kontext heute nicht mehr geläufig.

  • „Mikrobiota“ bezieht sich auf lebende Mikroorganismen wie Bakterien, Hefen und Viren in einer bestimmten Umgebung; also zum Beispiel die Darm-Mikrobiota.
  • „Mikrobiom“ ist weiter gefasst und umfasst die gesamte genetische Information der Organismen, mikrobiellen Strukturelemente, Stoffwechselprodukte und die Umweltbedingungen, die Mikroorganismen beeinflussen.

Bei Menschen kann man zwischen Darm-, Mund-, Atemwegs- und Haut-Mikrobiom unterscheiden, von denen jedes seine eigene Zusammensetzung und Funktion hat (Hou et al. 2022).

In diesem Beitrag liegt der Fokus auf dem mikrobiellen Ökosystem im Darm – es gilt als dasjenige mit den deutlichsten Auswirkungen auf unsere Gesundheit und wird naturgemäß besonders stark durch unsere Ernährung beeinflusst. Darmbakterien erfüllen mehrere Funktionen: Sie fermentieren das Essen, das wir ihnen zuführen, und gewinnen daraus Energie, machen Krankheitserreger unschädlich und stimulieren Immunantworten sowie Vitaminproduktion (Hou et al. 2022).

Im Dünndarm tummeln sich vergleichsweise wenig Mikroorganismen: Einige tausend bis mehrere hundert Millionen Zellen pro Gramm Darminhalt/Nahrungsbrei. Im Dickdarm, also dem unteren Teil des Darms, bilden sich hingegen Gemeinschaften von bis zu 100 Milliarden Zellen pro Gramm (de Vos et al. 2022).

Die Darmwand bildet die Grenze zwischen Mikrobiom und Immunsystem – wenn sie nicht mehr richtig funktioniert, hat das Auswirkungen auf die Gesundheit des gesamten Körpers. Die Darmschleimhaut besteht aus einzelnen Darmwandzellen, die unterschiedliche Aufgaben erfüllen können. Im Dünndarm produzieren beispielsweise Paneth-Zellen antimikrobielle Substanzen und sorgen dafür, dass das angeborene Immunsystem Erreger abwehren kann. Im Dickdarm gibt es Becherzellen: Sie produzieren eine Schleimschicht, die die Darmwand vor schädlichen Kontakt mit Mikroorganismen schützt, aber auch Nährstoffe für Darmbakterien liefert. Rezeptoren in den Epithelzellen sammeln Informationen aus dem Darminneren oder registrieren Erreger (Stecher et al. 2019).

Grafische Darstellung des Aufbaus der Darmwand bzw. eines Ausschnitts.
Aufbau der Darmwand (erstellt von: Anke Hilla)

Wie setzt sich das Darm-Mikrobiom und die Darmmikrobiota zusammen?

Die Darm-Mikrobiota setzt sich zusammen aus Bakterien, Pilzen und Viren. Darüber hinaus enthält sie Phagen (griech.: Bakterienfresser), also Viren, die Bakterien angreifen (BfR 2019), sowie Archaeen, eine einzellige Lebensform (VAAM). Das Darm-Mikrobiom umfasst der Definition zufolge nicht nur die jeweiligen Lebensformen, sondern auch die Stoffwechselprodukte, Wechselwirkungen etc.

Insgesamt ist das menschliche Mikrobiom so individuell wie ein Fingerabdruck. 2017 wurden in einer Studie mit knapp 12.000 Personen verschiedener Nationalitäten 1.952 verschiedene Bakterienspezies/-arten im menschlichen Darm identifiziert (nach Daniel 2020). In einem Individuum sind etwa 200–300 Bakterienarten vorhanden; deren Zusammensetzung variiert so stark, dass als kleinster gemeinsamer Nenner nicht mal eine Gruppe von Bakterienarten gefunden werden konnte, die bei allen Menschen vorkommt. Dieses Phänomen wird als Beta-Diversität bezeichnet (Stecher et al. 2019).

Die Unterschiede in den individuellen Mikrobiomen sind auf Parameter wie Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index, Gesundheitszustand, Ernährungsweisen oder auch die Region, in der man lebt, zurückzuführen. Eine erstaunlich geringe Rolle scheint die genetische Veranlagung zu spielen. Trotz aller Forschungsanstrengungen können heute erst 15–20 % der Unterschiede in der Mikrobiom-Zusammensetzung erklärt werden.

Zusammengefasst: Wir wissen, dass die Umwelt maßgeblichen Einfluss auf das Darm-Mikrobiom hat; wir wissen allerdings noch nicht so richtig, wie wir das Mikrobiom gezielt beeinflussen können (Daniel 2020).

Die Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms ist zwar höchst individuell, aber die Funktionen sind immer dieselben. Möglich macht das die sogenannte funktionale Redundanz: Verschiedene Mikroorganismen können ähnliche Aufgaben übernehmen. Dadurch passt sich das Darm-Mikrobiom an wechselnde Umwelt- und Lebensbedingungen oder auch neue Ernährungsmuster an, ohne aus dem Gleichgewicht zu kommen (Stecher et al. 2019). Dieses Phänomen ist vergleichbar mit dem Leben in einer Stadt: Verkehrsführung, Müllentsorgung, Öffentlicher Nahverkehr etc. sind Funktionen, die überall erfüllt werden müssen – aber in jedem Ort ist die Umsetzung und das Zusammenspiel ein klein wenig anders.


Mit welchen Krankheiten wird das Mikrobiom in Verbindung gebracht?

Es ist unbestritten, dass Zusammenhänge – Korrelationen – zwischen dem Darm-Mikrobiom und bestimmten Erkrankungen bestehen. Allerdings konnte bisher kein kausaler Zusammenhang nachgewiesen werden, also dass eine Störung im Mikrobiom (ein sogenanntes Pathobiom) eine Erkrankung verursacht. Genauso könnte das Pathobiom die Folge einer Erkrankung sein (Kussmann et al. 2023).

  • Besonders starke Verbindungen zwischen Erkrankungen und Veränderungen im Mikrobiom wurden bislang bei Adipositas, Typ-2-Diabetes, chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn, Darmkrebs und chronischen Lebererkrankungen beobachtet (de Vos et al. 2022).
  • Auch für die Sterblichkeit bei Stammzelltransplantationen infolge von Spender-gegen-Empfänger-Reaktion (Graft versus Host; GvHD) gibt es Belege, dass mikrobielle Veränderungen im Darm eine Rolle spielen (Stecher et al. 2019).
  • Bei der Clostridioides-difficile-Infektion, einer Darmentzündung, die häufig nach Antiobiotika-Einnahmen auftritt, konnten immerhin therapeutische Erfolge erzielt werden, indem Fäkalien einer oder mehrerer gesunder Personen auf eine kranke übertragen wurden – was bislang der stärkste nachweisbare erfolgreiche Eingriff ins Mikrobiom ist (de Vos et al. 2022, Daniel 2022a).
  • Darüber hinaus gibt es zahlreiche Studien zur Bedeutung des Darm-Mikrobioms für diverse Magen-Darm-Erkrankungen wie Zöliakie oder Reizdarmsyndrom, die aber nicht über die Beobachtung von Korrelationen hinausgehen (de Vos et al. 2022).
  • Neurologische Krankheiten mit nachgewiesenen Veränderungen im Mikrobiom-Profil sind die Parkinson-Krankheit oder die Alzheimer-Krankheit. Auch bei Autismus wurden Veränderungen in der Mikrobiota festgestellt, wobei hier ungewöhnliche Ernährungsweisen ebenfalls eine Rolle spielen könnten (Daniel 2022a).

Ernährung und Depression

Eine vielbeachtete Studie von Valles-Colomer et al. (2023) hat außerdem Zusammenhänge von Mikrobiom und psychischer Gesundheit bzw. Depressionen in den Fokus genommen. Das Forschungsteam konnte Merkmale in der Mikrobiom-Zusammensetzung identifizieren, die sich parallel mit Indikatoren der Lebensqualität verändern. Ihre Ergebnisse lassen jedoch keine Aussage darüber zu, ob die Ursache für die Erkrankung im Gehirn oder im Mikrobiom liegt.

So wurden bestimmte Bakteriengattungen als Indikatoren für gute Lebensqualität identifiziert: Wenn ausreichend viele davon auftauchen, ging das einher mit gutem emotionalem Wohlbefinden, wenig gesundheitlichen Einschränkungen, sozialem Funktionieren, wenig Müdigkeit etc. (Hays/Morales 2001). Im Falle einer Depression sind diese Bakterien dagegen im Darm unterrepräsentiert.

Bei anderen Mikroorganismen konnte ein Zusammenhang mit der Einnahme von Antidepressiva beobachtet werden. Insgesamt scheint die Wahrscheinlichkeit einer geringen Lebensqualität bzw. Depression besonders für die Menschen groß zu sein, deren Mikrobiom in der Masse relativ klein ist (Valles-Colomer et al. 2023). Mörkl (2024) betont die Rolle von Entzündungen bei Depressionen, die unter anderem durch ungünstiges Ernährungsverhalten hervorgerufen werden könnten.

Die Darm-Hirn-Achse: Verbindung zwischen Bauch und Kopf

Der Darm und seine mikrobiellen Bewohner tragen dazu bei, Körperfunktionen wie Stoffwechsel, Entzündungen oder Blutbildung aufrecht zu erhalten und sind damit Teil des körperlichen Gleichgewichts. Dafür interagieren sie auch mit Organen außerhalb des Darms (Afzaal et al. 2022).

Eine Verbindung, die zuletzt besonders viel Aufmerksamkeit erfahren hat, ist die sogenannte Darm-Hirn-Achse, die das Darm-Mikrobiom mit Gehirnfunktionen verknüpft und für Informationsaustausch in beide Richtungen sorgt. Vereinfacht funktioniert diese Kommunikation folgendermaßen: Nervenleitungen wie der Vagusnerv, die den Darm mit dem Gehirn verbinden, nehmen Veränderungen im Darm wahr und leiten Informationen an das Gehirn weiter. Außerdem produziert der Darm Hormone, die über die Blutbahn das Gehirn erreichen. Die dritte Verbindung sind Immunzellen und Rezeptoren im Darm, die Bakterien erkennen und daraufhin über das Immunsystem oder Nerven Signale an das Gehirn weiterleiten (Daniel 2022b).

Grafische Darstellung der Darm-Hirn-Achse
Darm-Hirn-Achse (erstellt von: Anke Hilla)

Welche Rolle spielt die Ernährung für das Mikrobiom?

Insgesamt scheint der Einfluss der Ernährung auf das Mikrobiom kleiner als vermutet: Eine Studie aus China stellte fest, dass der Einfluss der Region, in der die Menschen wohnen, für die Zusammensetzung der Mikrobiota aus Stuhlproben eine größere Rolle spielt als alle anderen Kriterien wie zum Beispiel Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index oder die Ernährung (Daniel 2020).

Bakterien, die wir über die Nahrung aufnehmen, siedeln sich in der Regel nicht dauerhaft im Darm an: Im Zwölffingerdarm, also dem ersten Abschnitt des Dünndarms, bilden Magensäure, Gallensäure, Verdauungsenzyme und antimikrobielle Proteine nahezu unüberwindliche Barrieren für die meisten Mikroben. Über die Zusammensetzung des Mikrobioms entscheiden darüber hinaus chemische Faktoren wie pH-Wert und Sauerstoffkonzentration, die biologische Produktion von Schleim, Galle und Antikörpern sowie physikalische Parameter (Darmaufbau, Darmbewegung und Transitzeiten; de Vos et al. 2022). Eine Sonderrolle spielen Probiotika, die Magen und Zwölffingerdarm unbeschadet passieren können und einen gesundheitlichen Nutzen haben. Auch sie siedeln sich aber nicht dauerhaft im Darm an (ISAPP 2019a).


Lässt sich mit der „richtigen“ Ernährung das Mikrobiom trotzdem unterstützen?

Wie oben beschrieben sind nur sehr begrenzte Aussagen darüber möglich, wie wir mit unserer Ernährung das Mikrobiom beeinflussen können. Fest steht: Eine langfristige Veränderung des Darm-Mikrobioms mithilfe der Nahrung erfordert eine langfristige Ernährungsumstellung, denn im Allgemeinen ist das Darm-Mikrobiom widerstandsfähig: Kurzfristige Ernährungsmaßnahmen sind in der Regel nicht erfolgreich (Xu/Knight 2015). Mehr zum Thema Ernährungsumstellung und Ernährungsmaßnahmen gibt es im: Forschungsstand Diäten

Der Dünndarm ist verantwortlich dafür, die Nährstoffe aus der Nahrung für den Körper verfügbar zu machen, also z. B. Fett(säuren), einfache Kohlenhydrate oder Proteine. In den Dickdarm gelangen die Stoffe, die im Dünndarm nicht verwertet werden können. Dazu gehören komplexe Kohlenhydrate wie Ballaststoffe oder resistente Stärke, aber auch Harnstoff, Glukose und andere Stoffe. Dort dienen sie Darm-Mikroben als Nahrung, die daraus als Stoffwechselprodukte beispielsweise kurzkettige Fettsäuren wie Acetat, Butyrat und Propionat herstellen (Daniel 2022b, de Vos et al. 2022). Mit der Nahrung, die wir zu uns nehmen, füttern wir also gewissermaßen auch die Mikroorganismen in unserem Darm.

Eine Ernährung, die das Mikrobiom unterstützt, indem sie ihm ausreichend Nahrung zuführt, enthält viele pflanzliche Lebensmittel, insbesondere Obst, Gemüse, Vollkorngetreide wie Haferflocken, Nüsse und Saaten sowie Hülsenfrüchte (Verbraucherzentrale 2024a). Auch fermentierte Lebensmittel mit oder ohne lebende Mikroorganismen, wie Kimchi, Kefir, Sauerteigbrot etc., können Teil einer ausgewogenen Ernährung sein. Eine einseitige Ernährung, also viel Fett und Kohlenhydrate, dafür wenig Obst und Gemüse, können hingegen dem Mikrobiom schaden (Afzaal et al. 2022).

Probiotika und Präbiotika: wirklich gesund oder nur geschicktes Marketing?

Probiotika sind laut Definition der FAO „lebende Mikroorganismen, die, wenn sie in ausreichender Menge verabreicht werden, dem Wirtsorganismus einen positiven Nutzen bringen“. Sie sind in der Lage, die Barrieren im Magen und Dünndarm zu überwinden und in den Dickdarm zu gelangen (nach Schulze 2012).

Dort werden sie sich zwar in der Regel nicht dauerhaft etablieren. Allerdings können sie positive gesundheitliche Wirkung entfalten, die vorhandenen Mikroorganismen unterstützen und Funktionsstörungen überwinden helfen, beispielsweise bei Adipositas oder Diabetes (Kussmann et al. 2023). Auch bei psychischen Erkrankungen wird der Einsatz von Probiotika diskutiert (Ribera et al. 2024).

Der Einsatz von Probiotika als therapeutische Maßnahme oder Nahrungsergänzungsmittel ist allerdings streng geregelt. Auch Lebensmittel mit zugesetzten Bakterienkulturen – beispielsweise Laktobazillen, Bifidobakterien und Enterokokken – dürfen nicht mehr als „probiotisch“ beworben werden, weil die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die gesundheitliche Wirkung als nicht ausreichend belegt sieht (eine ausführliche Erläuterung hierzu findet sich bei Röchter et al. (2020).

Als sogenannte Präbiotika gelten „Substrate, die von den Mikroorganismen des Wirts selektiv verwertet werden und einen gesundheitlichen Nutzen bringen. Einfach ausgedrückt: Sie sind Nahrung für nützliche Mikroben, die auf oder in uns leben“ (ISAPP 2019b). Es gibt Lebensmittel mit zugesetzten Präbiotika, allerdings konnte die positive Wirkung dieser Zusätze auf das Darm-Mikrobiom bislang nicht ausreichend nachgewiesen werden, sodass die Hersteller nicht mehr damit werben dürfen (Verbraucherzentrale 2024b).


Zusammenhänge mit Ernährung, Umweltfaktoren etc. werden häufig anhand von Mäusen untersucht, die keimfrei gehalten und mit menschlichem Mikrobiota versetzt wurden (Stecher et al. 2019). Der Verdauungsapparat von Mäusen unterscheidet sich allerdings erheblich vom menschlichen, weshalb die Ergebnisse nur bedingt auf menschliche Verhältnisse übertragbar seien, wie Daniel (2022b) zu bedenken gibt.

Ein Faktor, der bislang in Untersuchungen wenig berücksichtigt wird, ist die Transitzeit des Nahrungsbreis durch den Darm. Er scheint eine entscheidende Rolle zu spielen im Zusammenhang von Mikrobiom und Krankheiten (Daniel 2022a).

Analysematerial sind in der Regel Stuhlproben, die leicht zu sammeln sind. Sie lassen Aussagen über die Mikrobiom-Zusammensetzung im Dickdarm zu, der letzten Station vor der Ausscheidung der verdauten Lebensmittel, Mikroorganismen und ihren Stoffwechselprodukten. Proben aus anderen Stellen des Darms sind eher unterrepräsentiert (Daniel 2022b). Dabei ist besonders der Dünndarm für die menschliche Gesundheit wichtig, weil er die meisten Darmrezeptoren sowie Immun- und Nervenzellen enthält (de Vos et al. 2022). Menschen mit künstlichem Darmausgang (Ileostoma) spielen hier für die Forschung eine wichtige Rolle, wenngleich sie eine Personengruppe von eingeschränkter Größe sind (Daniel 2022b). Darüber hinaus wurden Kapseln und Katheter entwickelt, die bei der Probenentnahme eingesetzt werden können (de Vos et al. 2022).

Die geläufigen Methoden für eine Analyse der Mikrobiom-Zusammensetzung basieren auf der sogenannten Hochdurchsatzsequenzierung. Allerdings scheinen sich die Analyseergebnisse teilweise erheblich zu unterscheiden. Forry et al. (2023) ließen beispielsweise identische Proben in 44 Laboren analysieren – und erhielten völlig unterschiedliche Ergebnisse. Bei der Interpretation von Mikrobiom-Analysen müssen also die Methoden bei der Probenname und Analyse bedacht werden; auch ein Vergleich mehrerer Studien ist mitunter wenig aussagekräftig, wenn unterschiedliche Analysemethoden zugrunde liegen.


Fazit oder: Was wissen wir (noch) nicht über das Mikrobiom?

Insgesamt enthält jeder fundierte Text über das Mikrobiom sehr viele Formulierungen wie könnte, ist assoziiert mit, möglicherweise. Trotz intensiver Forschung über zwei Jahrzehnte wissen wir nach wie vor nicht, was ein „gesundes“ Darm-Mikrobiom ausmacht. Es gibt also kein konkretes Ziel, dass einer planvollen Behandlung von Mikrobiom-Störungen zugrunde liegen könnte (Kussmann et al. 2023).

Obwohl unzählige Studien Zusammenhänge zwischen dem Mikrobiom und der Gesundheit respektive der Ernährung vermuten lassen, ist der Nachweis kausaler Zusammenhänge in den seltensten Fällen erbracht. Erst diese werden es ermöglichen, das Darm-Mikrobiom gezielt zu verändern.

Dank der Fortschritte in der Omics-Analyse bewegt sich die wissenschaftliche Entwicklung allmählich auf die personalisierte Medizin bzw. personalisierte Ernährung zu. Das heißt, mithilfe modernster Technik wird beispielsweise das Mikrobiom in Form einer Stuhlprobe einer Person analysiert und als Basis für individuelle Ernährungsempfehlungen oder Therapien ausgewertet (de Vos et al. 2022). Es ist allerdings fraglich, ob die daraus gewonnenen Daten ausreichen, um verlässliche Aussagen über Stoffwechsel, Krankheitsrisiken oder Ernährungsempfehlungen zu treffen, die über allgemeine Aussagen hinausgehen (Daniel 2020).

Die Zusammensetzung und die Wechselwirkungen innerhalb des Mikrobioms sind so komplex und von so vielen verschiedenen Faktoren abhängig, dass allgemeingültige Aussagen über Zusammenhänge von Mikrobiom und Ernährung sehr vorsichtig zu bewerten sind.

Text: Susanne Zahn-Ulfig – Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn)

Mehr zum Mikrobiom

Nachweise

Afzaal et al. (2022): Human gut microbiota in health and disease: Unveiling the relationship Front Microbiol 13:999001

BfR – Bundesinstitut für Risikobewertung (2019): Fragen und Antworten zu Bakteriophagen. (aufgerufen am 24.1.2025)

Daniel H (2022a): Gut physiology meets microbiome science. Gut Microbiome 2023(4)e1:1–14

Daniel H (2022b): Diet and Gut Microbiome and the “Chicken or Egg” Problem. Front Nutr 8:828630.

Daniel H (2020): Diet and the gut microbiome: from hype to hypothesis. Br J Nutr 124:521–530

de Vos et al. (2022): Gut microbiome and health: mechanistic insights. Gut 71:1020–1032

Forry et al. (2023): Variability and bias in microbiome metagenomic sequencing: an interlaboratory study comparing experimental protocols. Sci Rep. 2024 Apr 29;14(1):9785.

Hays R, Morales L (2001): The RAND-36 measure of health-related quality of life. Annals of Medicine 33(5):350–357

Hou et al. (2022): Microbiota in health and diseases. Sig Transduct Target Ther 7:35

ISAPP (2019a): Probiotics

ISAPP (2019b): Prebiotics

Kussmann et al. (2023): Bioactive compounds for human and planetary health. Front Nutr 10:1193848

Mörkl S (2024): Können wir eine Depression auch mit Ernährung beeinflussen? In: Ernährungsumschau 71(1):M28–34

Ribera et al. (2024): Probiotic, prebiotic, synbiotic and fermented food supplementation in psychiatric disorders: A systematic review of clinical trials. Neurosci Biobehav Rev 158:105561

Röchter et al. (2020): Probiotika – Orientierung in einem unübersichtlichen Markt, ErnährungsUmschau 10/2020:69–76

Schulze J (2012): Von Pasteur über Nissle zu Probiotika als Medikamente – Das probiotische Konzept. Pharm Unserer Zeit 2/2012 (41):110–116

Stecher et al. (2019): Mikrobiom und Erkrankungen – Der lange Weg von der Korrelation zur Kausalität. Trillium Immunologie 1/2019

Valles-Colomer et al. (2023): The person-to-person transmission landscape of the gut and oral microbiomes. Nature 614:125–135

Verbraucherzentrale (2024a): Lebensmittel mit „präbiotischen Ballaststoffen“: Wirkung nicht belegt.

Verbraucherzentrale (2024b): Lebensmittel mit speziellen Bakterienkulturen (früher: „Probiotika“).

VAAM – Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie: Sind Archaeen auch Bakterien? (aufgerufen am 24.1.2025)

Xu Z, Knight R (2015). Dietary effects on human gut microbiome diversity. Br J Nutr 113:S1

Titelbild: StockUp/stock.adobe.com (KI-generiert)


Stand: März 2025

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