Symbolbild Diät: Salatschüssel, Apfel, Maßband, Reiswaffel

Die Debatte um Diäten

Das Thema Diät polarisiert: In der Flut an Informationen, die im Internet kursieren, behält man nur schwer den Überblick. Wir haben Expertinnen aus Praxis und Wissenschaft gefragt, wie man dem Strudel aus Selbstoptimierung und gesellschaftlichen Erwartungen entkommt und welche Rolle die Gene beim Abnehmen spielen.


Inhalt


Kann man das Idealgewicht auch ohne Diät erreichen?

Professorin Ute Weisz, TU München

Dr. Antonie Post

Dipl.-Ernährungswissenschaftlerin, Ernährungsberaterin VDOE

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Theoretisch ist es möglich, gesund und bedürfnisorientiert Gewicht zu verlieren. Aber in unserer Gesellschaft ist das fast unmöglich: Blickdiagnosen setzen das Körpergewicht mit Gesundheit gleich und dicke Menschen erfahren eine schwer zu ertragende Ablehnung. Der Druck ist hoch, schnell einen „idealen“ Bereich zu erreichen (der sich gar nicht allgemein definieren lässt). Das torpediert die Gelassenheit, die nötig ist, damit die Diät nicht in einen Kampf gegen den eigenen Körper ausartet.

Die meisten wollen möglichst schnell abnehmen. Wenn das Kaloriendefizit zu hoch gewählt wird, aktiviert der Körper aber den Modus „Hungersnot“: Die Energie, die der Körper aus Fettreserven bereitstellen kann, um den Mangel auszugleichen, ist auf ca. 150–600 kcal pro Tag begrenzt. Ist das Kaloriendefizit größer, reagiert der Körper mit metabolischer Anpassung: Energie wird gespart, während hormonelle, neurologische und verhaltensbezogene Mechanismen dafür sorgen, dass mehr Energie aufgenommen wird.

Diäten scheitern nicht aufgrund mangelnder Anstrengung oder fehlender Willenskraft, sondern daran, dass wir zu schnell zu viel wollen. Je langsamer und beiläufiger eine Gewichtsabnahme erfolgt, desto wahrscheinlicher wird sie auf gesunde Weise erreicht und ist nachhaltig. Unsere leistungsorientierte Gesellschaft lässt aber kaum Raum für behutsame und schrittweise Veränderungen.

Was können Menschen tun, um sich in ihrem Körper wohlzufühlen?

Für Gesundheit und Wohlbefinden sind gewichtsunabhängige Ziele oft die vielversprechendere Wahl. In der gewichtsneutralen Ernährungsberatung liegt der Fokus darauf, gesunde Verhaltensweisen zu wählen und gesundheitsförderliche Verhältnisse zu schaffen. Doch dafür braucht es eine andere Haltung: Akzeptanz. Ich helfe den Menschen, den eigenen Körper, die Lebenssituation und individuelle Voraussetzungen anzuerkennen und mit intuitiver Ernährung zu einem besseren Körpergefühl zu finden. Dadurch entsteht Raum für nachhaltige Veränderungen, die auf Selbstfürsorge, Wohlbefinden und Lebensqualität beruhen, statt auf Selbstoptimierung und äußeren Erwartungen. Klar darf sich auch das Gewicht dabei ändern, eine Garantie dafür gibt es aber nicht.


Wie finden Menschen die richtige Diät?

Florian Schweigert, Professor für Physiologie und Pathophysiologie der Ernährung

Susanne Mittag

Mitarbeiterin im Referat Wissenschaftsredaktion, DGE
(Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.; Foto: © DGE, A. Höhner)

Kontakt: mittag@dge.de

Kurzzeitige Diäten haben leider den Haken, dass sie oft nicht dauerhaft wirken. Das Wort Diät kommt aus dem Griechischen und heißt so viel wie Lebensweise – und darauf kommt es eigentlich auch an: Einen gesunden Lebensstil zu etablieren, der zu einem passt, weil er die persönlichen Vorlieben und Abneigungen berücksichtigt. Wer langfristig abnehmen möchte, sollte sich Zeit für Veränderungen geben und sich seine Gewohnheiten bewusst machen.

Die persönliche Motivation ist Antrieb und Motor für jede Veränderung. Mit Zielen, die erreichbar und nicht zu ambitioniert sind, führt jede noch so kleine Veränderung in die richtige Richtung zum Erfolg. ICH-nehme-ab, das Abnehmprogramm der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, begleitet beispielsweise bei der Umstellung und trainiert nachhaltig einen gesunden Lebensstil.

Realistische Ziele setzen

Um das Körpergewicht zu reduzieren, empfiehlt die Deutsche Adipositas-Gesellschaft in ihrer Leitlinie ein tägliches Kaloriendefizit von 500–600 kcal. Um 1 kg Körperfett abzubauen, müssen rund 7.000 kcal eingespart werden. Das passiert nicht von heute auf morgen. Pro Woche ist mit einem Gewichtsverlust von ca. 0,5 kg zu rechnen. Es kommt weniger darauf an, Mahlzeiten wegzulassen oder abends nichts mehr zu essen. Entscheidend für eine Gewichtsabnahme ist die Energiebilanz am Ende des Tages bzw. sogar der Woche. Eine bewusste Lebensmittelauswahl mit volumenreicher Kost wie Salate, Gemüse, Getreideprodukte und Hülsenfrüchte macht satt, und wer satt ist, vermeidet Heißhungerattacken.

Viel Pflanzliches wie Obst, Gemüse und Nüsse

Obst und Gemüse versorgen den Körper mit wichtigen Ballaststoffen, aber auch zahlreichen Vitaminen und Mineralstoffen. Zu jeder Mahlzeit sollte daher viel Grünzeug auf dem Teller liegen. Am besten insgesamt 5 Portionen am Tag. Wer auf seine Kalorienzufuhr achtet, greift lieber zu Gemüse als zu Obst. Nüsse, Kerne und Samen sind zwar fettreich, eine kleine Portion von 25 g pro Tag liefert wertvolle einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren.

Nichts ist verboten

Ein Dessert oder Kuchen und Gebäck sind zwar nicht notwendig, viele Menschen möchten aber auch beim Abnehmen nicht darauf verzichten. Müssen sie auch nicht. Die bewusste Auswahl von kalorienärmeren Alternativen und geeigneten Portionen macht‘s möglich, z. B. ein Eissorbet mit Obst.

Bewegung im Alltag

Wer seinen Stoffwechsel auf Trab bringt, sorgt dafür, dass der Körper auch in Ruhe mehr Energie verbrennt. Wichtig ist, sich täglich zu bewegen und langes Sitzen zu vermeiden. Zur Alltagsbewegung zählt auch Treppen steigen, statt Aufzug fahren, öfter mal zu Fuß gehen oder mit dem Rad zur Arbeit zu fahren. Es muss niemand zur „Sportskanone“ werden, Spaß und Regelmäßigkeit stehen im Vordergrund.


Welche Rolle spielen die Gene bei Diäten?

Florian Schweigert, Professor für Physiologie und Pathophysiologie der Ernährung

Prof. Dr. Christina Holzapfel

Professur für Humanernährung, Hochschule Fulda
Forschungsgruppenleiterin „Personalisierte Ernährung & eHealth“, Technische Universität München

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Es ist lange bekannt, dass Körpergewicht und Adipositas eine genetische Komponente aufweisen. Bis heute wurden etwa 1.000 genetische Loci gefunden, die allerdings jeweils nur einen geringen Effekt auf das Körpergewicht haben: sie erklären weniger als 5 % der Variabilität des Körpergewichts bzw. des Body Mass Indexes. Für die Gewichtsreduktion haben diese Forschungsergebnisse bis dato keine Relevanz.

Es gibt Firmen, die genbasierte Empfehlungen zur Gewichtsreduktion aussprechen. Dafür ist es nötig, dass man eine Speichelprobe an die Firma schickt, die auf vorausgewählte genetische Informationen untersucht wird. Im Rahmen einer Forschungsarbeit wurden diese sogenannten „Direct-to-Consumer-Tests“ getestet. Die von den Genen abgeleiteten Empfehlungen sind in der Regel energiereduziert und es steckt meist eine ausgewogene Ernährung dahinter. Menschen werden abnehmen – sofern sie sich an die Empfehlungen halten (es werden oftmals Tagespläne beispielhaft mitgeliefert). Aus wissenschaftlicher Sicht ist für derartige Ernährungsempfehlungen keine genetische Information nötig.

Hat denn die Genetik einen Effekt darauf, ob Menschen zu- oder abnehmen?

Man sieht in der Praxis, dass Menschen unterschiedlich leicht abnehmen. Was macht den Unterschied? Wir vermuten, dass die Genetik eine Rolle spielt. Eine große Rolle spielt auch die Compliance, d. h. wie gut und dauerhaft sich Menschen an die Ernährungsempfehlungen halten: Auch wenn Menschen in Studien dieselben Empfehlungen bekommen, so werden diese unterschiedlich gut umgesetzt. Es ist schwierig, die Compliance zu erfassen und auszuwerten.

Es gibt ein paar wenige Studien, in denen Menschen anhand ihrer Genetik in Gruppen eingeteilt wurden. Letztendlich hat man im Hinblick auf die Gewichtsreduktion keinen Unterschied zwischen den Genotypen feststellen können.

Und dann ist natürlich die körperliche Aktivität, der Energieverbrauch ein weiterer Hauptfaktor für die Gewichtsreduktion. In einer Auswertung internationaler Studien wurden Menschen anhand von Genotypen und körperlicher Aktivität eingeteilt. Es konnte gezeigt werden, dass Personen mit zunächst schlechteren genetischen Voraussetzungen durch Bewegung die Prädisposition für ein höheres Körpergewicht „besiegen“ konnten, d. h. Bewegung kann einer entsprechenden Veranlagung entgegenwirken.

Man kann also nicht alles auf die Gene schieben. Die Körpergewichtsregulation und Adipositas – eine chronische Erkrankung – sind komplex und multifaktoriell. Wir forschen intensiv am Thema Adipositas und suchen derzeit:


Titelbild: M.studio/stock.adobe.com

Stand: Januar 2025

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