KI-generiertes Bild, auf dem der Oberkörper einer Person zu sehen ist, die verschiedene Lebensmittel vor Ihren Bauch hält, die zusammen aussehen wie ein Darm.

Mythen und Fakten: Mikrobiom

Mythos 1: „Bananen sind gut fürs Mikrobiom“

Stimmt. Die Stärke in unreifen Bananen und in Kochbananen hat eine hochkristallisierte Form und scheint der Aufspaltung im Dünndarm zu entgehen, der Fachbegriff dafür ist „resistente Stärke“. Dadurch gelangt sie in den Dickdarm und wird dort von Mikroorganismen fermentiert. Dabei entstehen kurzkettige Fettsäuren, die als besonders gesundheitsförderlich gelten (Daniel 2022a, Lockyer/Nugent 2017).

Dieser Effekt tritt auch ein, wenn man stärkehaltige Lebensmittel – wie Kartoffeln, Nudeln oder Reis – kocht und abkühlen lässt. Auch beim erneuten Erwärmen bleibt sie erhalten. Grüne bzw. unreife Bananen enthalten mit 8,5 g pro 100 g viel resistente Stärke (reife Bananen haben nur 1,23 g resistente Stärke)(Lockyer/Nugent 2017) – Kartoffeln kommen auf rund 4 g pro 100 g, abhängig von der Zubereitungsart und Sorte (Raatz et al. 2016).

Bislang gibt es keine systematischen Studien darüber, wie sich die Verarbeitung von Lebensmitteln auf das Darmmikrobiom auswirkt – obgleich es insbesondere für Convenience-Produkte (tiefgekühlt oder in der Mikrowelle zubereitet) durchaus relevant sein kann. Auch die Frage, wie sich rohe bzw. wärmebehandelte Lebensmittel auf die Gesamtenergiebilanz und die Zusammensetzung des Mikrobioms auswirken, ist bislang nicht ausreichend erforscht (Daniel 2022a).

Mythos 2: „Bei der Geburt erbt das Kind das Mikrobiom der Mutter“

Das kann man so nicht sagen. Es gibt Mikroorganismen, die von der Mutter auf das Kind übertragen werden. Es gibt auch genetische Faktoren, die das Mikrobiom beeinflussen. Allerdings machen beide nur einen kleinen Teil der Darmmikrobiota einer erwachsenen Person aus (Rothschild et al. 2018). Die individuelle Zusammensetzung der Mikroorganismen in unserem Darm variiert sehr stark, so dass selbst eineiige Zwillinge, die im selben Haushalt leben, unterschiedliche Mikrobiomprofile aufweisen (Walker/Hoyles 2023).

Allerdings ist durchaus zu beobachten, dass das Mikrobiom von Neugeborenen vor allem nach einer vaginalen Geburt große Ähnlichkeiten mit dem der Mutter aufweist. Im ersten Lebensjahr stimmen rund die Hälfte der Bakterienstämme von Mutter und Kind überein. Sobald Kinder aktiver werden und mehr mit ihrer Umwelt interagieren, verringert sich diese Rate (Valles-Colomer et al. 2023).

Bemerkenswert ist, dass die Muttermilch und das Darmmikrobiom des Säuglings auf ganz besondere Weise aufeinander abgestimmt sind: Die Milch liefert dem Kind alle wichtigen Nährstoffe in einer Zusammensetzung, die die Ansiedlung schädlicher Bakterienstämme verhindert (German et al. 2022).

Vor allem die Aufnahme fester Nahrung wirkt wie ein Booster für die Darmbewohner: Die Masse der Mikroorganismen nimmt stark zu und ihre Zusammensetzung wird unabhängiger von dem der Mutter (Walker/Hoyles 2023). Ab dem Alter von etwa 3 Jahren sind die Übereinstimmungen zwischen Mutter und Kind in etwa so hoch wie die mit anderen im Haushalt lebenden Personen. Nach der Kleinkindphase ist das Mikrobiom relativ stabil gegenüber äußeren Faktoren wie Umwelteinflüssen und Ernährungsverhalten (Walker/Hoyles 2023).

Mythos 3: „Das menschliche Mikrobiom wiegt 1–2 kg“

Nein. Der größte Teil der menschlichen Mikrobiota befindet sich im Dickdarm. Dort wiegen die Mikroorganismen normalerweise nicht einmal halb so viel wie die fäkalen Feststoffe. Der durchschnittliche menschliche Stuhl wiegt im Durchschnitt in nassem Zustand weniger als 200 g. Der Gesamtinhalt des Dickdarms wiegt maximal doppelt so viel. In der Regel wiegt die menschliche Mikrobiota somit weniger als 500 g, und selbst Menschen mit schwerer Verstopfung und extrem verdichteten Fäkalien im Dickdarm liegen unterhalb der Angabe von 1–2 kg (Walker/Hoyles 2023).

Mythos 4: „Eine ‚falsche Darmflora‘ ist eine Ursache für Adipositas“

Das ist nicht bewiesen. Schon vor rund 20 Jahren gab es die Vermutung, dass die Mikrobiota eine Ursache für die Entstehung von Adipositas sein könnte (Turnbaugh et al. 2006). Die These war, dass es im Mikrobiom von fettleibigen Personen Organismen gäbe, die mehr Energie aus der Nahrung ziehen könnten und dadurch Übergewicht verursachen. Diese Behauptung beruht allerdings in erster Linie auf Untersuchungen an Mäusen und auf Ergebnissen weniger oder ungenügender Humanstudien. Die Studien sind kaum reproduzierbar, brachten also bei wiederholter Durchführung nicht dieselben Ergebnisse (Walker/Hoyles 2023).

Als Ursache für Adipositas wird dabei vor allem ein ungünstiges Verhältnis zweier Bakterienstämme vermutet. Bei fettleibigen Personen wurde ein Anstieg der Firmicutes im Verhältnis zu den Bacteriodetes beobachtet. Analysen haben allerdings auch gezeigt: Legt man die Ergebnisse mehrerer Adipositasstudien nebeneinander, gibt es große Unterschiede zwischen den adipösen Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmern – teilweise mehr als zur schlanken Kontrollgruppe derselben Studie (Walker/Hoyles 2023, Daniel 2022b).

Mythos 5: „Bakterien aus fermentierten Lebensmitteln unterstützen das Mikrobiom“

Das stimmt wahrscheinlich. Die Studienlage dazu ist teilweise widersprüchlich. Denn fermentierte Lebensmittel reichen von getrockneter Wurst über Käse bis hin zu Sauerkraut und Kimchi: Die Produktvielfalt ist ebenso groß wie die Vielfalt der eingesetzten Mikroorganismen. Studien, die deren Gesundheitsnutzen untersuchen, liefern daher sehr heterogene Ergebnisse. Auch die individuelle Zusammensetzung des menschlichen Mikrobioms trägt dazu bei, dass diese Prozesse nur schwer zu untersuchen sind (Dimidi et al. 2019).

Nur ein Teil der aufgenommenen Mikroorganismen gelangt lebend in den Darm, da sie den Säurecocktail im Magen, Enzyme und antimikrobielle Proteine im Dünndarm sowie zahlreiche weitere Faktoren überstehen müssen (de Vos et al. 2022). Mehr zur Rolle der Ernährung für das Mikrobiom finden Sie im Forschungsstand.

Dennoch gibt es Hinweise aus Studien, dass regelmäßiger Verzehr fermentierter Lebensmittel die Diversität im Darm erhöhen kann, was als gesundheitsförderlich gilt (Taylor 2020, Wastyk 2021). Am Beispiel Milch zeigt sich, dass fermentierte Varianten wie Joghurt oder Kefir vermutlich besser vor chronischen Krankheiten wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen (Acham et al. 2020, Ugai et al. 2025). Denn mit fermentierten Lebensmitteln gelangen nicht nur lebende Zellen in den Organismus, sondern auch Metabolite wie kurzkettige Fettsäuren oder bioaktive Peptide, denen ebenfalls positive Wirkungen zugeschrieben werden (Leuwendaal et al. 2022).

Trotzdem reichen diese Studien nicht aus, um bestimmte Health Claims, also gesundheitsbezogene Werbeaussagen auf Lebensmitteln wie Probiotika, zu erlauben. Bislang sieht die Lebensmittelbehörde EFSA den gesundheitlichen Nutzen von Probiotika als nicht ausreichend belegt an (Röchter et al. 2020).

Da sich mit der Nahrung aufgenommene Mikroben nicht dauerhaft im Darm ansiedeln, ist nur ein regelmäßiger Verzehr fermentierter Lebensmittel wirksam. Zudem brauchen Mikroben „Futter“. Vor allem pflanzliche fermentierte Lebensmittel können deshalb für das Mikrobiom förderlich sein, da sie gleichzeitig viele Ballaststoffe enthalten, die insbesondere im Dickdarm als Nahrung für die Mikroorganismen dienen (Afzaal et al. 2022). Wer tierische Produkte wie Joghurt bevorzugt, sollte daher gleichzeitig auf eine ballaststoffreiche Ernährung achten.

Text: Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn)

Mehr zum Mikrobiom

Nachweise

Acham et al. (2020): Intake of milk and other dairy products and the risk of bladder cancer: a pooled analysis of 13 cohort studies. Eur J Clin Nutr 74:28–35.

Afzaal et al. (2022): Human gut microbiota in health and disease: Unveiling the relationship. Front Microbiol 13:999001

Daniel H (2022a): Diet and the gut microbiome: from hype to hypothesis. Br J Nutr 124(6):521–530

Daniel H (2022b): Diet and Gut Microbiome and the “Chicken or Egg” Problem. Front Nutr 8:828630

De Vos et al. (2022): Gut microbiome and health: mechanistic insights. Gut 71:1020–1032

Dimidi et al. (2019): Fermented foods: Definitions and characteristics, impact on the gut microbiota and effects on gastrointestinal health and disease. Nutrients 11(8):1806

German et al. (2022): Milk: A Scientific Model for Diet and Health Research in the 21st Century. Front Nutr 9:922907

Leuwendaal et al. (2022): Fermented Foods, Health and the Gut Microbiome. Nutrients 14(7):1527

Lockyer S, Nugent AP (2017): Health effects of resistant starch. Nutr Bull 42(1):10–41

Raatz et al. (2016): Resistant starch analysis of commonly consumed potatoes: Content varies by cooking method and service temperature but not by variety. Food Chem 208:297–300

Röchter et al. (2020): Probiotika – Orientierung in einem unübersichtlichen Markt. Ernährungs Umschau 10/2020:69–76

Rothschild et al. (2018): Environment dominates over host genetics in shaping human gut microbiota. Nature 555:210–215

Taylor et al. (2020): Consumption of Fermented Foods Is Associated with Systematic Differences in the Gut Microbiome and Metabolome. mSystems 5(2):e00901-19

Turnbaugh et al (2006): An obesity-associated gut microbiome with increased capacity for energy harvest. Nature 444:1027–1031

Ugai et al. (2025): Long-term yogurt intake and colorectal cancer incidence subclassified by Bifidobacterium abundance in tumor. Gut Microbes 17(1):2452237.

Walker A, Hoyles L (2023): Human microbiome myths and misconceptions. Nature Microbiology 8:1392–1396

Wastyk et al. (2021): Gut-microbiota-targeted diets modulate human immune status. Cell 184(16):4137-4153.e14

Valles-Colomer et al. (2023): The person-to-person transmission landscape of the gut and oral microbiomes. Nature 614:125–135

Titelbild: StockUp/stock.adobe.com (KI-generiert)


Stand: März 2025

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