Austernpilze in Nahaufnahme von unten, sodass die Lamellen zu sehen sind

Wissenswert: Verbraucherakzeptanz von Alternativen Proteinen, Novel Foods und Start-ups

Haferdrinks oder pflanzlicher Fleischersatz wird immer beliebter. Aber wie sieht es mit anderen Alternativen Proteinen aus? Wie viele Menschen sind tatsächlich bereit, Produkte zu essen, die (Teile von) Insekten enthalten? Wir geben einen Überblick und erklären zudem, was es mit der Novel-Food-Verordnung auf sich hat und welche Start-ups im Bereich Alternative Proteine unterwegs sind.

Medienschaffende dürfen Texte des Ernährungsradars verwenden, bitte nennen Sie uns als Quelle. Die Rechte für externe Inhalte und Grafiken liegen bei den Urhebern.


Inhalt


Verbraucherakzeptanz alternative Proteine: Tofu beliebter als Heuschrecken

Ob sich ein Lebensmittel auf dem Markt etabliert, hängt maßgeblich von der Akzeptanz durch die Bevölkerung ab. Diese fällt je nach Umfrage allerdings unterschiedlich aus.

Umfrage des Good Food Institutes:
41 Prozent essen bereits Fleischersatzprodukte

Laut einer Umfrage des The Good Food Institutes (GFI 2023) sind die Deutschen bereit für alternative Proteine. So essen 41 Prozent der (insgesamt 1.002) Befragten mindestens einmal im Monat Fleischalternativen auf pflanzlicher Basis (einschließlich pflanzliche Burger-Patties oder Nuggets), 25 Prozent wollen in Zukunft häufiger zu pflanzlichen Fleischersatzprodukten greifen. Gleichzeitig gaben 57 Prozent an, dass sie kultiviertes Fleisch (In-vitro-Fleisch bzw. Fleisch aus dem Labor) kaufen würden, wenn es im Supermarkt erhältlich wäre – in der Gruppe der unter 25-Jährigen waren es sogar 82 Prozent.

Dennoch ist die Einstellung zu den verschiedenen alternativen Proteinen sehr unterschiedlich: Die meisten haben weniger Probleme mit Tofu oder Seitanwürsten, sind aber skeptisch gegenüber Insektenriegeln. Mehr noch: Für viele ist der Genuss von Käferlarven, Raupen oder Heuschrecken mit einem Ekelgefühl und häufig auch mit hygienischen Bedenken verbunden. Mangelnde Vertrautheit, generelle Technologie-Skepsis, fehlendes Vertrauen und die im Vergleich zu Fleisch geringere sensorische Attraktivität von Geschmack und Textur spielen ebenfalls eine Rolle (Hamlin et al. 2022, Onwezen et al. 2021, Orsi et al. 2019).

Studie der Universität Hohenheim: Jüngere sind aufgeschlossener, wenn es um alternative Proteine geht

Ein Team der Universität Hohenheim hat die Einstellungen von 1.561 Personen in Deutschland zu Fleischalternativen untersucht, insbesondere zu pflanzlichem, insektenbasiertem und kultiviertem Fleischersatz (Heijnk et al. 2023). Das Ergebnis war auch hier, dass jüngere Menschen Fleischersatzprodukten aufgeschlossener gegenüberstehen.

Im Detail hatten Jüngere aus städtischen Gebieten im Durchschnitt eine positivere Einstellung zu Fleischersatzprodukten, ebenso wie Menschen, die sich tendenziell mehr Gedanken um Klima, Tierschutz und Umwelt machen. Männer, die sich eher fleischlastig ernähren, stehen Alternativen zu Insekten- und In-vitro-Fleisch positiver gegenüber als Frauen, während Verbraucher mit einer weniger fleischbetonten Ernährung pflanzliche Fleischalternativen bevorzugen. Im direkten Vergleich der einzelnen Alternativen stehen pflanzliche Proteinersatzprodukte bei Verbrauchern an erster Stelle, gefolgt von In-vitro-Fleisch und Insektenproteinen auf dem letzten Platz.

Umfrage des Lebensmittelverbands: Befragte zeigen sich zurückhaltend beim Einkauf alternativer Proteine

Die 2.500 Personen, die im Auftrag des Lebensmittelverbands Deutschlands im Jahr 2023 befragt wurden (Lebensmittelverband Deutschland 2023a), waren weniger aufgeschlossen. Nach den Ergebnissen dieser Umfrage sind die Deutschen bei neuartigen Lebensmitteln tendenziell wenig experimentierfreudig und bevorzugen im Supermarkt eher „klassische“ bzw. vertraute Lebensmittel. Nur jeder Zweite gab an, neuartige Lebensmittel probieren zu wollen. Zwar wären fast 17 Prozent bereit, Wurst aus pflanzlichen Proteinen zu verkosten, aber nur rund 11 Prozent würden kultiviertes Fleisch probieren wollen, Pfannkuchen aus Insektenmehl nur 6 Prozent und Hamburger-Patties aus dem 3D-Drucker bildeten mit 1,3 Prozent das Schlusslicht. Knapp 63 Prozent äußerten eine mangelnde Bereitschaft, pflanzliche oder tierische Proteinalternativen zu testen.

Die Statistik zeigt, dass über 62% der Umfrageteilnehmer pflanzliche oder tierische Proteinalternativen nicht testen würden.

Quelle: Statista (2024a)

Verbraucherakzeptanz alternativer Proteine: bestehende Herausforderungen

Zahlreiche Forschungsarbeiten befassen sich mit der Frage, welche Faktoren die Verbraucherakzeptanz für alternative Proteine beeinflussen und wie ihre Attraktivität gesteigert werden kann. Wichtige Akzeptanzkriterien sind beispielsweise die Motivation von Verbrauchern bei der Lebensmittelauswahl sowie die persönliche Einstellung gegenüber alternativen Proteinquellen, einschließlich gesundheitlicher Erwägungen, Geschmack, Nachhaltigkeit, ethischer Bedenken (Siddiqui et al. 2022).

Gegenwärtig gibt es verschiedene Anstrengungen, um die gewonnenen Erkenntnisse zur Verbraucherakzeptanz von alternativen Proteinen in gezielte Maßnahmen zur Verhaltensänderung umzusetzen. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf Aufklärungsprogrammen, die den Verbrauchern die Vorzüge alternative Eiweißquellen näherbringen soll. Wichtig ist auch, dass die Produkte klar gekennzeichnet und durch entsprechende Gesetzgebung abgesichert werden, um das Vertrauen der Verbraucher zu stärken und ihre Sicherheit zu gewährleisten.

Daneben müssen alternative Proteine in Bezug auf Geschmack, Beschaffenheit und Preis mit tierischen Proteinen konkurrieren können (Morach et al. 2021), um eine breitere Akzeptanz in der Bevölkerung zu erreichen und somit die Proteinwende voranzutreiben und eine nachhaltige Transformation des Ernährungssystems zu fördern. Dies erfordert einen ganzheitlichen Ansatz auf der Grundlage solider Wissenschaft und einer engen Zusammenarbeit zwischen Forschung, Industrie, Regulierungsbehörden und Verbrauchern.

Der Markt für alternative Proteine wächst auch in Europa

In Europa bzw. Deutschland ist der Markt für essbare Insekten derzeit noch relativ klein, doch sagen Experten für die kommenden Jahre ein stetiges Wachstum angesichts des enormen Potenzials für die Ernährungssicherung voraus. Im Jahr 2023 wurde das Marktvolumen für essbare Insekten in Europa auf rund 262 Millionen US-Dollar geschätzt und war damit nur etwa halb so groß wie im asiatisch-pazifischen Raum mit 477 Millionen US-Dollar.

Das Marktvolumen von essbaren Insekten in verschiedenen Regionen weltweit in den Jahren 2018 und 2023

Quelle: Statista (2024b)


Insekten und die Novel-Food-Verordnung

In der EU zum Verzehr zugelassene Insektenarten

Weltweit gibt es etwa 2.100 Insektenarten, die für den Menschen essbar sind (Jongema 2017, Jansson et al. 2019). Doch nur wenige von ihnen werden in den kommenden Jahren auf deutschen Tellern landen. Lediglich vier Insektenarten sind bisher in der Europäischen Union als neuartige Lebensmittel (Novel Food) bzw. Speiseinsekten zugelassen (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 2023):

Mehlkäfer/Gelber Mehlwurm (Tenebrio molitor)
Verarbeitungsform: gefroren, getrocknet, pulverförmig (Zulassung: Juni 2021)
Wanderheuschrecke (Locusta migratoria)
Verarbeitungsform: gefroren, getrocknet, pulverförmig (Zulassung: November 2021)
Hausgrille/Heimchen (Acheta domesticus)
Verarbeitungsform: gefroren, getrocknet, pulverförmig / teilweise entfettetes Pulver (Zulassung: Februar 2022 / Januar 2023)
Buffalowurm/Getreideschimmelkäfer (Alphitobius diaperinus)
Verarbeitungsform: gefroren, als Paste, getrocknet, pulverisiert (Zulassung: Januar 2023)

Weitere Novel-Food-Zulassungsanträge wurden 2018 für die Tropische Hausgrille (Gryllodes sigillatus), die Larve der schwarzen Soldatenfliege (Hermetia illucens) und männliche Larven der westlichen Honigbiene/Honigbienen-Drohnenbrut (Apis mellifera) gestellt und werden aktuell noch von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) geprüft (European Commission 2023).

Wichtig: Für alle Speiseinsekten gelten hierzulande strenge Vorschriften. So darf der Mehlwurm beispielsweise nur getrocknet als Ganzes oder in Pulverform verkauft werden. In verarbeiteten Produkten wie etwa Keksen sind die Höchstmengen klar festgelegt: maximal 10 Gramm Mehlwurm pro 100 Gramm Keks (European Commission 2017). Und auch die Zugabe der Wanderheuschrecke muss in der Zutatenliste von Lebensmitteln bzw. auf deren Verpackung gekennzeichnet sein, da Insektenprotein bei empfindlichen Menschen allergische Reaktionen auslösen kann. Laut Verbraucherzentrale ist dies insbesondere bei Menschen mit einer Allergie gegen Hausstaubmilben oder Krebs- und Weichtieren der Fall (Verbraucherzentrale 2024).

Zulassungsverfahren für Insekten bzw. Novel Food

Seit der Einführung der Novel-Food-Verordnung (Verordnung (EU) 2015/2283) am 1. Januar 2018 gelten Insekten als neuartige Lebensmittel. Sie müssen für die Vermarktung in der EU ein strenges Zulassungsverfahren durchlaufen. Einige Insektenarten, wie z. B. ganze Hausgrillen, Wanderheuschrecken oder Mehlwurm-Larven, wurden jedoch bereits vor 2018 legal in der EU vermarktet und fallen daher nicht in den Geltungsbereich der Verordnung. Für diese Insekten gilt eine Übergangsregelung (Verordnung (EU) 2015/2283, Art. 35 Abs. 2). Wurde ein Antrag auf Zulassung gestellt, dürfen sie bis zur endgültigen Entscheidung der EFSA weiterhin auf dem europäischen Markt verkauft werden (Verbraucherzentrale 2024).

Dies birgt jedoch die Gefahr, dass Insektenprodukte angeboten werden, die nicht vollständig den Anforderungen der Novel-Food-Verordnung entsprechen. Konkret bedeutet dies, dass Verbraucher nicht in jedem Fall erkennen können, ob und welche potenziell allergenen Stoffe in den Produkten enthalten sind oder ob sie gar gesundheitsschädliche Keime beinhalten.

Produktion von Speiseinsekten

Speiseinsekten, die im deutschen Lebensmitteleinzelhandel verkauft werden, stammen in der Regel aus kontrollierter Zucht (Verbraucherzentrale 2024). Wild gefangene Insekten, wie etwa Heuschrecken aus Afrika, die dort als Plage auftreten können, werden in Europa nicht verwendet. Sie entsprechen nicht den strengen Hygienevorschriften und gesetzlichen Anforderungen der Novel-Food-Verordnung. Inzwischen gibt es in vielen Ländern wie den Niederlanden, Spanien, Frankreich und Deutschland Insektenfarmen (Lebensmittelverband Deutschland 2023b).

Auch die Fütterung der Speiseinsekten ist durch Bestimmungen der Futtermittelhygiene-Verordnung (Verordnung (EU) 183/2005) hierzulande reglementiert (Verbraucherzentrale 2024). So dürfen Speiseinsekten nicht mit Lebensmittelabfällen gefüttert werden, nur zugelassene Zusatzstoffe sind erlaubt, und auch mikrobiologische Vorgaben müssen eingehalten werden. Für die ökologische Insektenzucht hat der Verband Naturland eigene Richtlinien entwickelt, die den Einsatz von pflanzlichen Nebenprodukten und Reststoffen aus der Landwirtschaft vorschreiben (Naturland e. V. 2023).

Bislang gibt es in Deutschland jedoch keine konkreten Regelungen zum Tierschutz bei der Insektenzucht. Es fehlen klare Vorschriften zur Haltung, insbesondere zum Platzbedarf, zum Einsatz von Arzneimitteln wie Antibiotika und Fungiziden sowie zur „schonenden“ Tötung von Insekten für den menschlichen Verzehr oder als Futtermittel.


Start-ups im Bereich alternativer Proteine

Da der relativ junge Markt mit Fleischersatzprodukten und alternativen Proteinen in lebhafter Bewegung ist, kann diese Liste nicht vollständig sein. Wenn Sie ein spannendes Start-up haben und der Meinung sind, ebenfalls in diese Liste zu gehören, schreiben Sie uns an: ernaehrungsradar@kern.bayern.de

Milch-Ersatz
Senara, Freiburg
https://www.senara.bio/
Produkt: In-vitro-Milch / zellbasierte Milch

Käse-Ersatz
Viva la Faba / Stuttgart
www.vivalafaba.de
Produkt: veganer Käse-Ersatz auf Basis von Faba-Bohnen
Formo Bio GmbH / Berlin
https://formo.bio/
Produkt: veganer Käse-Ersatz mithilfe von Präzisionsfermentation

Ei-Ersatz
Perfeggt / Berlin
https://www.perfeggt.co/
Produkt: flüssiger veganer Ei-Ersatz aus Erbsenprotein
Neggst / Berlin
https://www.neggst.co/
Produkt: veganer Ei-Ersatz (für Spiegeleier und mehr) auf Basis von Erbsen, Faba-Bohnen und Süßkartoffelprotein

Fisch-Ersatz
BettaF!sh / Berlin
https://bettafish.co/de/foodservice
Produkt: Tunfisch-Ersatz auf Basis von Meeresalgen
Bluu Seafood, Hamburg
https://www.bluu.bio/
Produkt: In-vitro-Fisch

Fleisch-Ersatz
MyriaMeat GmbH / München
https://myriameat.com/
Produkt: In-vitro-Fleisch
Walding Foods / München
https://www.walding-foods.com/
Produkte: Fleisch-Ersatz auf Basis von Biomassefermentation
Infinite Roots, Hamburg
https://www.infiniteroots.com
Produkt: tierfreie Proteine mithilfe von Biomassefermentation

Text: Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn)


Nachweise

European Commission (2017): Union list of novel foods in accordance with Regulation (EU) 2015/2283

European Commission (2023): Summary of Novel Food applications

GFI – Good Food Institute (2023): Alternative Proteine in Deutschland. Report zu aktuellen Entwicklungen rund um nachhaltige Proteinquellen auf Basis von Pflanzen, Zellkultivierung und Fermentation

Hamlin et al. (2022): Food neophobia, food choice and the details of cultured meat acceptance. Meat Science 194:108964

Heijnk et al. (2023): A comparison of influencing factors on attitudes towards plant-based, insect-based and cultured meat alternatives in Germany. Food Qual Prefer 110:104966

Jansson et al. (2019): Insects as food – an option for sustainable food production? SLU Future Food Reports 5

Jongema Y (2017): List of edible insects of the world

Lebensmittelverband Deutschland (2023a): Tag der Lebensmittelvielfalt: Deutsche schätzen Vielfalt des Lebensmittelangebots. Pressemitteilung vom 15.07.2023

Lebensmittelverband Deutschland (2023b): Insekten in Lebensmitteln – das müssen Sie jetzt wissen

Morach et al. (2021): Food for Thought: The Protein Transformation. Boston Consulting Group

Naturland e. V. (2023): Richtlinien Insekten – Fassung 05/2023

Onwezen et al. (2021): A systematic review on consumer acceptance of alternative proteins: Pulses, algae, insects, plant-based meat alternatives, and cultured meat. Appetite 159:105058

Orsi et al. (2019): Eating edible insects as sustainable food? Exploring the determinants of consumer acceptance in Germany. Food Res Int

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (2023): Insekten als Lebensmittel

Siddiqui et al. (2022): Consumer Acceptance of Alternative Proteins: A Systematic Review of Current Alternative Protein Sources and Interventions Adapted to Increase Their Acceptability. Sustainability 14(22):15370

Statista (2024a): Welches Gericht/Lebensmittel würden Sie am ehesten probieren?

Statista (2024b): Prognostiziertes Marktvolumen von essbaren Insekten in verschiedenen Regionen weltweit in den Jahren 2018 und 2023

Verbraucherzentrale (2024): Insekten essen: Eine Alternative zu herkömmlichem Fleisch?

Titelbild: andreymuravin/stock.adobe.com


Stand: Juni 2024

Nach oben scrollen