An den Arm einer dunkelhäutigen Person mit einem Blutzucker-Mess-Sensor wird ein Handy zum Auslesen gehalten.

Blutzucker-Tracking: auch etwas für Gesunde?

Das Interesse am eigenen Blutzuckerspiegel, dessen Regulation und die Auswirkungen auf Gesundheit, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit wächst. Doch wie sinnvoll ist es für gesunde Menschen, den Blutzucker ständig zu überwachen? Dieser Artikel prüft die Aussagen von Influencern und Befürwortern und beleuchtet die wissenschaftliche Grundlage.

Kurz gesagt

  • Studien belegen keinen Zusatznutzen des Blutzucker-Monitorings für Gesunde.
  • Der Blutzuckerspiegel gibt nur Auskunft über die Reaktion auf Kohlenhydrate, nicht aber auf Fett oder Eiweiß.
  • Für stark Übergewichtige und Menschen mit Prädiabetes kann Blutzucker-Monitoring hilfreich sein, umfassende wissenschaftliche Daten dazu fehlen aber noch.
  • Bei gesunden Personen besteht die Gefahr, ungesunde Ernährungsmuster zu entwickeln oder zwanghaft Körperwerte zu kontrollieren.

Worum geht’s?

„Blutzuckerfreundliche Ernährung“ liegt im Trend (Nutrition Hub 2025). Während der Blutzuckerspiegel bisher vor allem für Menschen mit Diabetes relevant war, interessieren sich nun auch Gesunde dafür, Stoffwechselprozesse und Auswirkungen von Blutzuckerschwankungen zu verstehen, Krankheiten vorzubeugen und die körperliche Leistungsfähigkeit zu steigern (Richardson et al. 2024).

Dieser Trend wird durch einfach zu bedienende Geräte zur kontinuierlichen Glukosemessung unterstützt, die ursprünglich für Diabetiker entwickelt wurden. Bücher wie „Der Glukose-Trick“ von Jessie Inchauspé propagieren auf Basis der wissenschaftlich fundierten Aussage, dass ein möglichst stabiler Blutzuckerspiegel ohne starke Schwankungen der Gesundheit zuträglich ist, und geben Tipps zur Vermeidung von Blutzuckerschwankungen. Auch sogenannte Medfluencer, die medizinische Themen auf Social Media verbreiten, fördern diesen Trend.

Da die Blutzuckerregulation, anders als beispielsweise die Herzfrequenz, nicht einfach zu testen ist, nutzen Diabetikerinnen und Diabetiker sowie Optimierungswillige kleine, am Arm oder Rumpf getragene Geräte. Ein unter die Haut implantierter oder in die Haut gestochener Fühler misst kontinuierlich den Blutzuckerwert und sendet ihn drahtlos an eine App oder ein Auswertegerät. So können Nutzerinnen und Nutzer den Verlauf der Kurve über den Tag nachvollziehen. Zeichnen sie gleichzeitig auf, wann sie welche Nahrung gegessen und wann sie Sport getrieben haben, können Trägerinnen und Träger daraus Rückschlüsse ziehen und ihre Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten anpassen (Klonoff et al. 2017).

„Der Glukose-Trick“ im Check auf dem Ernährungsradar

Wie gut sind die Informationen?

Die Aussagen im Buch „Der Glukose-Trick“ und von Influencerinnen und Influencern, die Blutzucker-Tracking für Gesunde empfehlen, werden mit vielen Ergebnissen aus wissenschaftlichen und klinischen Studien untermauert. So wird der Eindruck erweckt, die Aussagen seien wissenschaftlich fundiert. Doch es gibt nur wenige Studien, die die gesundheitlichen Effekte von kontinuierlichem Blutzuckertracking (Continuous Glucose Monitoring, CGM) an gesunden Probanden im Alltag untersucht haben. Die existierenden Untersuchungen zeigen in den meisten Fällen nur, dass mittels CGM Schwankungen des Blutzuckerspiegels in Abhängigkeit von der Nahrungsaufnahme erkannt werden können (Jarvis et al. 2023). Belastbare Daten zur langfristigen gesundheitlichen Bedeutung bei Gesunden fehlen (siehe z. B. Richardson et al. 2024).

CGM für Personen mit Risikofaktoren

Einige Studien untersuchen, ob CGM Personen mit Risikofaktoren für Stoffwechselerkrankungen wie Übergewicht oder Prädiabetes bei der Gewichtsreduktion unterstützen kann (siehe z. B. Fechner et al. 2020). Hier könnte CGM ein hilfreiches Werkzeug für das Diätmanagement sein. Stoffwechselerkrankungen und Übergewicht nehmen in unserer Gesellschaft stetig zu und gefährden die Gesundheit. CGM könnte einen Nutzen in der Prävention haben, dies muss jedoch durch umfassende Studien geklärt und die Anwendungsbereiche genau abgegrenzt werden. Die aktuelle Datenlage reicht für eine Bewertung nicht aus.

Andererseits gibt es bereits Berichte einzelner Frauen und die Befürchtung von Expertinnen und Experten, dass CGM über einen längeren Zeitraum Essstörungen fördern könnte (SWR 2025). Vor allem junge Frauen hadern häufig mit ihrem Körper und versuchen, sich durch eingeschränkte Ernährung und exzessiven Sport zu „optimieren“. Dies kann im Extremfall zu einer Abhängigkeit und zwanghaften Kontrolle des Essverhaltens führen.

Wer hat wirtschaftliche Interessen an der verbreiteten Nutzung von Glukose-Tracking?

Weltweit wächst der Markt für CGM stark – von etwa 5,2 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 auf geschätzte 16,1 Milliarden US-Dollar im Jahr 2030 (Richardson et al. 2024). Dies ist nicht nur auf die Zunahme von Diabeteserkrankungen zurückzuführen, sondern auch auf das steigende Interesse von gesundheitsbewussten Menschen ohne Diabetes, die CGM-Geräte rezeptfrei erwerben können.

Der am weitesten verbreitete Hersteller von CGM-Geräten ist der US-amerikanische Pharmakonzern und Medizintechnikhersteller Abbott. Das Unternehmen bezeichnet sein FreeStyle Libre CGM-Gerät als das „meistgenutzte sensorbasierte Messsystem“ (Abbott 2025). Das Marketing für dieses Gerät scheint sich derzeit explizit auf die Diabetesbehandlung zu beschränken.

Neben den Geräteherstellern vermarkten Gesundheits-Start-ups wie „Hello Inside“ Blutzucker-Tracking für Gesunde. Während das CGM-Gerät beim Hersteller für einen Messzeitraum von 2 Wochen 70,60 € kostet (Abbott 2025), müssen Kundinnen und Kunden bei „Hello Inside“ für den 14-tägigen Messzeitraum, die spezielle App und vorproduzierte „maßgeschneiderte“ Tipps 149,90 € bezahlen (Roots Health GmbH 2025). Gegenüber dem MDR erklärte Mario Aichsleder, CEO von „Hello Inside“, die wissenschaftliche Basis seines Unternehmens folgendermaßen: Man habe versucht, das Thema „wissenschaftlich schon auch okay unterzubringen, ohne dass es jetzt die exakten Studien gibt. Aber dennoch genügend Anzeichen und Proxy-Studien dafür“ (mdr Wissen 2024).

Eine weitere Gruppe, die ein wirtschaftliches Interesse an einer Verbreitung von Glukose-Tracking hat und für das Verschwimmen der Grenzen zwischen therapeutischem Einsatz und Lifestyle-CGM verantwortlich ist, sind Medfluencer. Das Problem: Influencer verdienen ihr Geld mit Werbepartnerschaften oder eigenen Produkten, wodurch jede Neutralität verloren geht. Die Medfluencerin Alina Walbrun beispielsweise, eine Medizinstudentin mit über 300.000 Followern auf Instagram, propagiert CGM und vertreibt auf ihrer Website unter anderem Nahrungsergänzungsmittel zur „Stabilisierung des Blutzuckerspiegels“.

Fazit

Blutzucker-Monitoring wurde für Menschen mit Diabetes entwickelt, kann aber auch stoffwechselgesunden Menschen interessante Einblicke in die Reaktionen ihres Körpers geben. Ohne fachliche Begleitung und Interpretation der Werte besteht jedoch die Gefahr, ungünstige Ernährungsmuster zu entwickeln oder Körperwerte zwanghaft zu kontrollieren. Denn: Der Blutzucker gibt nur Auskunft über die Reaktion auf Kohlenhydrate, nicht aber über andere Makronährstoffe wie Fett oder Eiweiß. Eine kohlenhydratreduzierte Ernährung kann unter Umständen sinnvoll sein, ist aber keine pauschale Garantie für eine bessere Gesundheit, vor allem dann nicht, wenn dafür eine fettreiche Ernährung gewählt wird, die zwar keine Blutzuckerausschläge verursacht, aber andere gesundheitliche Probleme mit sich bringen kann.

Für stark Übergewichtige und Menschen mit Prädiabetes könnte CGM eine Unterstützung bei der Gewichtsregulierung und der Anpassung des Lebensstils sein. Umfangreiche Daten hierzu fehlen noch.

Die Deutsche Diabetes Gesellschaft DDG spricht sich gegen Glukose-Monitoring bei Nicht-Diabetikern aus, da Studien keinen Zusatznutzen belegen und sich durch das Tragen keine klaren Handlungsanweisungen ergeben (mdr Wissen 2024).

Text: Dr. rer. nat. Christine Hutterer


Nachweise

Abbott (2025): FreeStyle Libre: Produktinformationen (zuletzt aufgerufen am 24.02.2025)

Fechner et al. (2020): Diet-induced differences in estimated plasma glucose concentrations in healthy, non-diabetic adults are detected by continuous glucose monitoring-a randomized crossover trial. Nutr Res 80:36–43

Jarvis et al. (2023): Continuous glucose monitoring in a healthy population: understanding the post-prandial glycemic response in individuals without diabetes mellitus. Metabolism 146:155640

Klonoff et al. (2017): Continuous glucose monitoring: A review of the technology and clinical use. Diabetes Res Clin Pract 133:178–192

mdr Wissen (2024): Blutzucker-Sensoren für Nicht-Diabetiker. Internet-Trend: Lohnt sich glukosebewusste Ernährung? Beitrag vom 01. April 2024 (zuletzt aufgerufen am 24.02.2025)

Nutrition Hub (2025, Hrsg.): Trendreport Ernährung 2025

Richardson et al. (2024): The efficacy of using continuous glucose monitoring as a behaviour change tool in populations with and without diabetes: a systematic review and meta-analysis of randomised controlled trials. Int J Behav Nutr Phys Act 21(1):145

Roots Health GmbH (2025): Bessere Gesundheit mit optimiertem Stoffwechsel: Hello Inside Verkaufsseite (zuletzt aufgerufen am 24.02.2025)

SWR (2025): Gesund durch Influencer? – Medizin-Hype mit Risiken & Nebenwirkungen. SWR-Beitrag vom 21.01.2025

Titelbild: Adobe/Igor_Tichonow


Stand: Februar 2025

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